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Das Spiel des Saengers Historischer Roman

Titel: Das Spiel des Saengers Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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junge Held nicht außergewöhnlich scharfe Augen gehabt, wäre ihm nicht aufgefallen, dass die Finger des Jungen höchst geschickt in den Beutel des Mannes geglitten waren.
    Der Bestohlene hatte nichts bemerkt, und auch die Matrone mit der bebänderten Haube spürte nicht, dass ihr in die Tasche am Gürtel gelangt wurde.
    Amüsiert verfolgte der Held den Weg des Diebs und schlenderte dann in dessen Richtung. Als sie sich begegneten, aber war er gewarnt. Mit einem schnellen Griff umklammerte er die emsigen Finger des Jungen. Dann packte er ihn mit starker Hand an der Schulter und hielt ihn fest.
    »Herr?«
    »Es sind nur ein zerlesenes Buch und drei Münzen darin. Und ich bin hungrig.«
    Die dunklen Augen des Burschen wirkten klug auf den Jüngling. Der Taschendieb leugnete seine Tat nicht, aber er musterte ihn neugierig.
    »Ihr braucht die Münzen nicht, um ein Mahl zu bekommen, Herr.«
    »Da ich deine Fähigkeiten nicht besitze, wäre es mir doch lieber, ich würde sie behalten, um mir ein Essen zu kaufen. Was soll ich mit dir tun, Junge? Dich den Wachen übergeben?«

    »Ich habe Euch nichts getan, Herr.«
    »Mir nicht, aber etliches, was sich in den Beuteln rechtschaffener Bürger befand, würde man bei dir finden.«
    »Nicht mehr!«, grinste der Junge. »Aber Ihr könntet Schwierigkeiten damit bekommen, zu erklären, wie sie in Euren Beutel gelangt sind.«
    Der junge Held brach in schallendes Gelächter aus.
    »Nun, dann ist es jetzt meine Beute, nicht wahr?«
    »Ich bekomm sie schon wieder, Herr.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Was wolltest du mit dem Geld?«
    »Den größten Teil opfere ich Fortuna«, sagte der Bursche mit einer Grimasse.
    Fortuna kannte der Jüngling, denn sie wurde in den Liedern in seinem Buch besungen. Sie war so etwas wie die Herrin des Glücks. Allerdings ziemlich wankelmütig. Er wollte eben nachfragen, bei welchen Spielen der Bursche das Geld auszugeben gedachte, als der plötzlich begann, sich unter seinem Griff zu winden.
    »Besser, Ihr lasst mich jetzt los, Herr.«
    Ein aufmerksamer Blick in die Runde zeigte dem Jüngling, dass sich die Marktbüttel näherten. Ein zweiter, dass auch der Händler, den er selbst bestohlen hatte, hier angekommen war.
    »Besser, wir beide verschwinden hier. Los!«, sagte er leise.
    »Ach, Ihr auch«, war die einzige Bemerkung, die der Bursche machte, und schon eilte er mit geschickten Windungen durch die Buden den Gassen zu. Der Held folgte ihm auf dem Fuße, bis sie schließlich am Waldrand zum Stehen kamen. Dichtes Gebüsch verbarg sie beide, und eine Weile war nur ihr heftiges Atmen zu hören.
    »Ich hab Euch gar nicht bei der Arbeit bemerkt - mhm - Herr.«
    »Es ist auch nicht meine übliche Arbeit.«
    »Warum musstet Ihr dann vor den Bütteln fliehen?«
Und dann pochte er mit einem Knöchel auf das Lederfutteral, das dem Helden noch immer über den Rücken hing. »Was ist da drin?«
    »Eine Laute.«
    »Oh. Ihr seid ein Spielmann?«
    Der Jüngling war ohne Falsch, und das Lügen kam ihm nicht in den Sinn.
    »Nein. Oder - noch nicht. Aber ich habe ein Liederbuch.«
    Der Taschendieb setzte sich auf einen Baumstumpf und sah ihn an.
    »Ihr seid dumm.«
    »Ich weiß.«
    Müde ließ der junge Held seine Schultern sinken. Dumm hatte man ihn schon immer genannt. Wahrscheinlich stimmte es.
    »Nein, nicht dumm. Eher arglos«, verbesserte sich der Taschendieb, und mit dem Finger an der Nase dachte er nach, sprang dann auf und sagte: »Kommt mit.«
    »Wohin?«
    »Zu Fortuna. Sie liebt die Musik und die Lieder. Vielleicht nimmt sie Euch für eine Weile auf!«
    Durch den zu einem Hügel ansteigenden Wald folgte der junge Held dem gewandten Burschen, und tief im unzugänglichen Forst fand er eine Ruine aus uralter Zeit, die mit Ästen und Matten bedeckt war. Ein Räubernest, in dem Ausgestoßene und Gesetzlose sich ihr Lager eingerichtet hatten. Angeführt aber wurden sie von einer fetten Frau mit feuerroten Haaren.
    Fortuna rief man sie, und sie beäugte den Jüngling mit lüsternen Augen.
    »Er singt Lieder, Fortuna«, stellte ihn der kleine Taschendieb vor.
    »Dann sing. Rühr mich zu Tränen, dann kannst du bleiben.«
    Der junge Mann gehorchte, denn in den Liedern der
Minne hatte er die Sehnsucht erkannt, die zu Tränen rühren konnte. Und so erfand er, der Not gehorchend, schmeichelnde Melodien, wie er sie von den Nachtigallen gelernt hatte. Zu ihnen sang er die lieblichen Verse mit klarer Stimme und zupfte dabei ein wenig hilflos an den Saiten des

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