Das Spiel des Saengers Historischer Roman
kann man ihn nicht anheben.«
»Ja, das ist richtig«, gab Puckl zu. Er schien sich in seiner Fantasie schon allerlei Gelegenheiten auszumalen, was geschehen sein könnte oder was passieren würde. »Es könnte auch jemand jetzt aus der Burg durch den Gang zu fliehen versuchen.«
»Ja, das könnte jemand. Und würde damit wohl sein eigenes Urteil fällen, nicht wahr?«
Puckl nickte. »Derjenige würde damit seine Schuld eingestehen.«
Ismael war schweigsam. Wie immer, wenn er versuchte, meine Gedanken zu verfolgen.
Dietrich war weit nüchterner, er kümmerte sich um Recht und Ordnung, diese Eigenart schien sein Wesen zu bestimmen. Er fragte: »Weiß mein Herr davon?«
»Ja, Dietrich. Ich habe es ihm gesagt.«
»Danke, Meister Hardo. Ich mag es nicht, wenn ich ihm etwas verschweigen muss.«
»Loyalität, ich weiß. Aber Sebastian …«
»Ja, Meister Hardo?«
»Hinrich van Dyke und Engelin wissen es nicht und sollten es auch nicht wissen, es sei denn, die Not gebietet es.«
»Selbstverständlich, Meister Hardo.«
Wahrscheinlich auch Loyalität.
Ich beließ es dabei.
Minnigliche Verlockung
Ismael schmerzte das Ohr noch immer, das der Höfling so derb gezerrt hatte, dass er befürchtet hatte, er wolle es ihm vom Kopf drehen. Hätte Hardo ihn nicht auf so elegante Weise verprügelt, wäre er selbst hochgradig in Versuchung gewesen, dem ambraduftenden Schönling weit kostbarere Teile vom Körper abzudrehen. Er lobte sich selbst ob der Selbstzucht, denn die Möglichkeit hätte durchaus bestanden.
Sein Ohr würde sich wieder beruhigen, zumal das niedliche Ännchen gerade eben im Vorübergehen eine kleine Schmeichelei hineingeflüstert hatte.
Die Kammerjungfer war eine wandelnde Verlockung, und
Ismael verwendete eine ganze Weile in der kühlen Kapelle darauf, sich zu überlegen, wie er dieser Versuchung würde nachgeben können. Dann aber schüttelte er den Gedanken doch wieder ab - entweder ergab sich eine Möglichkeit oder nicht, wichtiger war es, den Eingang zu dem geheimen Ausschlupf aus der Burg zu finden. Er umkreiste den Altar, schob ihn unter großer Anstrengung ein Stückchen nach vorne und fand tatsächlich in die Marmorplatte, auf der er stand, eine Gravur eingeritzt, die zu einem Kreuz gehören konnte.
Nachdenklich betrachtete er den Platz. Wer immer unbemerkt aus der Burg kommen wollte, brauchte einen Helfer, der anschließend den schweren Altar wieder an die Stelle schob. Oder er war so dreist und ließ den Eingang offen, was aber vermutlich recht schnell bemerkt werden würde.
Ismael grinste. Von ihm. Und Puckl. Und Sebastian.
Sie drei würden nämlich von jetzt an ihre Stundengebete verrichten. Na ja, nicht richtig beten, sondern alle Stunde, wenn die Glocke im Dorf schepperte, einen Blick in die Kapelle tun. Damit hätte, wer immer floh, allerhöchstens eine Stunde Vorsprung. Zu Fuß!
Mit diesem Plan machte Ismael sich auf die Suche nach seinen Freunden. Puckl war leicht zu finden. Er saß in der Kammer des Verwalters. Diese lag in dem Gebäude neben der Kapelle, das dem Vogt zur Wohnung diente, und wurde durch zwei Fenster erhellt. An der Wand lehnte ein Bord, auf dem sich ledergebundene Folianten stapelten, ein Schreibpult stand nahe dem Fenster, ein Tisch, ebenfalls bedeckt mit Pergamenten, Federn, einem Abakus, einer Münzwaage, Griffeln und Wachstafeln. Das alles sah nach zäher Arbeit aus.
»Na, Federfuchser?«
»Na, Schandmaul?«
»Warum Schandmaul? Ich hab doch mein Maul noch kaum aufgemacht.«
Puckl blinzelte ihn ein wenig kurzsichtig an.
»Du hast es gestern aufgemacht. Ich habe meinen Oheim gefragt, ob das, was du da in maurischer Sprache von dir gegeben hast, echt ist. Es hat ihm fast die Augen aus den Höhlen treten lassen.«
»Hinrich van Dyke ist der arabischen Sprache mächtig?«
»Zumindest kennt er die gängigen Flüche.«
»Ja, sie erleichtern einem gelegentlich das Leben.« Um weitere Fragen zu unterbinden, berichtete Ismael dann von dem Geheimgang und den Ideen, die er dazu entwickelt hatte. Puckl war sofort Feuer und Flamme. Er sehnte sich derart nach Abenteuern, dass er vermutlich selbst die Nachtwache mit Begeisterung übernehmen würde.
»Wir sprechen das noch mit Dietrich ab. Schließlich haben wir ja auch noch unsere Aufgaben zu erledigen.« Ismael wies auf die Registerbände. »Macht dir das eigentlich Spaß?«
»Och ja, ich arbeite gerne mit Zahlen. Hinter diesen Aufzeichnungen verbergen sich auch einige Geheimnisse, die man lüften kann, wenn man
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