Das Spiel des Saengers Historischer Roman
hinunter.
Jonata, mit einem Korb voll Brot am Arm, hörte mich und wies auf die Kapelle. Aha, die Neugier.
»Holt ihn mir!«
Sie nickte, stellte den Korb ab und ging in die kleine Kirche.
Nicht dass ich Ismael das Verschwinden des Instruments anlasten wollte, aber diese neue Entwicklung musste durchdacht und unsere Pläne möglicherweise geändert werden.
»Meister?«, schnaufte der Junge, als er zur Tür hereinkam.
»Man hat mir meine Laute geklaut.«
»Heiliger Laurentius auf dem Bratrost!«
»Wird uns wenig helfen. Ich habe sie gestern neben die Truhe gestellt, und als ich vorhin vom Baden kam, war sie noch da.«
»Als ich das Barbiermesser zurücklegte …« Ismael fasste sich an die Nase und überlegte. »Ja, da stand sie auch noch dort. Man muss sie entwendet haben, als Ihr uns von dem geheimen Gang erzählt habt.«
»Irgendjemandem scheinen meine Lieder nicht zu gefallen.«
»Der schmucke Höfling beklagte mehrmals Euren rauen Vortrag. Und Euer heutiger kleiner Tanz mit ihm mag ihn erbittert haben.«
»Ja, auch ich zog ihn als Erstes in Erwägung. Er hat ein kleinliches, rachsüchtiges Gemüt.«
»Soll ich ihm meine Aufwartung in seiner Kammer machen, um ihn zu barbieren?«
Seine Miene war hoffnungsvoll. Er war geschickt mit Messern aller Art.
»Kein Blutvergießen, Ismael, wenn es sich vermeiden lässt.«
»Wenn Ihr darauf besteht.«
»Du hast doch kein ebensolches rachsüchtiges Gemüt?«
»Doch. Mein Ohr schmerzt noch immer.«
»Es könnte auch ein anderer gewesen sein.«
»Vielleicht. Aber wer, Meister?«
»Jemand, der an die Magie glaubt, die in der Laute steckt, mhm?«
»Abergläubisch ist dieser Gelehrte mit all seinen Planeten und Berechnungen … und dem Weihwasser, meint Ihr nicht auch?«
»Die Astrologia ist in den Augen vieler eine ernst zu nehmende Wissenschaft und kein Aberglaube.« Ich erlaubte mir ein Grinsen. »Ebenso wie die Verwendung von geweihtem Wasser, um die Sünden abzuwaschen.«
»Äh, ja.« Auch Ismael feixte. In unserer Einschätzung
des Gelehrten lagen wir beide gleich. Er war tatsächlich ein abergläubischer Mensch, der allen möglichen Schicksalsmächten die Verantwortung für das weltliche Geschehen zuschrieb.
»Aber der würdige Doktor Humbert würde nicht mit der Laute die Frauenherzen betören wollen. Und ich glaube nicht, dass die anderen Männer hier seiner Neigung entgegenkommen«, meinte Ismael.
»Unter den harten Mannen …? Du verbringst die Nacht bei ihnen, Ismael.«
»Die sind kaum mit Lautenspiel zu betören, eher mit Schwerterklang. Auch Lorettas Bemühungen bei den Männern fallen auf wenig fruchtbaren Boden, wenn ich es richtig beobachte.«
»Ich bezweifle, dass sie einen wohlklingenden Ton aus den Saiten herausbekommt. Aber sie ist nicht die Hellste. Mag sein, dass sie der Magie vertraut.«
»Es könnte sie aber auch einer genommen haben, Meister, dem Euer Vortrag nicht gefällt - einer, der ahnt, was Ihr demnächst erzählen werdet.«
»Ja, das könnte auch sein. Und wütend auf mich ist auch die Äbtissin.«
»Was wollt Ihr tun, Meister?«
»Ich glaube, ich wiege den Dieb in Sicherheit. Den heutigen Abend werde ich von einem rechten Raufbold erzählen. Und von einem Jungen, der flinke Finger besitzt.«
»Oh.«
»Oder soll ich diesen Teil auslassen, mein Junge?«
Einen Moment lang zögerte Ismael mit seiner Antwort. Dann schüttelte er den Kopf.
»Nein, Meister. Erzählt es nur. Es wird meinen üblen Ruf festigen.«
»Es kommt immer darauf an, Ismael, wie man die Geschichte erzählt und welchen Punkten man dabei die größte Wichtigkeit beimisst.«
Er sah etwas verlegen drein.
»Schämst du dich deiner Loyalität, Ismael?«
»N … nein, Meister.«
»Gut, dann wollen wir uns bereit machen. Ich brauche deine flinken Finger zu meiner Unterstützung.«
»Wessen Beutel wünscht Ihr zu überprüfen?«
Ich lachte. Sehr loyal, der Junge.
»Keine Beutel, die Trommel sollst du schlagen. Wir werden ein deftiges Sauf- und Rauflied anstimmen. Dazu ist die Laute nicht unbedingt erforderlich.«
»Nein, nur Eure raue Stimme.«
Ich gesellte mich beim Mahl wieder zu der Gesellschaft am linken Tisch. Lucas, der prächtige Höfling, hatte wohl doch jemanden gefunden, der ihm den Bart geschabt hatte, jedoch nicht sehr sorgfältig. Ein paar verschorfte Kratzer zeugten von grober Hand und schartiger Klinge. Er sandte mir einen missgünstigen Blick und schwieg schlecht gelaunt vor sich hin. Jonata saß wie am Abend zuvor mit
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