Das Spiel des Schicksals
an. »Orks gegen Elben: der letzte Kampf.
Also, Flo, kommst du? Oder vielleicht sollte ich mir einfach einen Stuhl holen und …«
»Nicht nötig«, sagte Flora schnell. Der Junge neben ihr fasste sie an der Hand. »Schon gut, Charlie. Ehrlich. Ich muss nur dieses … Missverständnis aufklären. Es wird nicht lange dauern.«
Kaum merklich humpelnd, folgte sie Cat aus dem Café zu einer Bank auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie setzten sich, wobei sie es vermieden, einander anzuschauen.
»Ich finde es wirklich nicht besonders gut, wenn du so einen Aufstand machst«, sagte Flora schließlich. »Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
»Der Telefonanruf gestern Abend im Taxi. Wie geht’s deinem Knöchel?«
»Es geht, danke der Nachfrage.«
»Es hätte schlimmer kommen können. Du hättest Werwolfzähne herausklauben können.«
Flora rümpfte ihre hübsche Nase, als ob sie damit zum Ausdruck bringen wollte, wie geschmacklos ihr die Bemerkung vorkam. »Ich will ja nicht unhöflich sein, aber was muss ich tun, damit du mich in Ruhe lässt?«
»Rede mit mir. Über gestern Nacht … und über andere Dinge.«
»Über gestern Nacht? Ist das dein Ernst? Was gibt es denn da noch zu bereden?«
»Du hattest Glück, dass wir aufgetaucht sind, nicht wahr? Alleine wärst du nämlich nie im Leben die Feuertreppe hochgekommen. Von dem verknacksten Knöchel
mal abgesehen, hattest du so viel getankt, dass du kaum noch geradeauslaufen konntest – und erst recht nicht irgendwelchen Monsterhunden entkommen.« Floras Atem kam zischend, aber Cat lächelte sie nur ausdruckslos an. Auch sie konnte dieses Spiel spielen. »Gehst du deshalb ins Arkanum?«, fragte sie, immer noch im Plauderton. »Um dich volllaufen zu lassen? Damit Mami und Papi nicht mitkriegen, wie ihr Goldschatz eine Flasche nach der anderen leert?«
Wenn Cat gehofft hatte, Flora damit aus der Fassung zu bringen, hatte sie sich geirrt.
»Ich hätte das allein nicht geschafft, das stimmt«, erwiderte Flora gepresst. Sie fing an, mit den Fransen an ihrem Schal zu spielen. »Es geht dich zwar nichts an, aber … ich hatte gestern einen schlechten Tag, das ist alles.«
Ein Jubiläum hat sie es gestern genannt, dachte Cat unwillkürlich. Sie schob den Gedanken beiseite. »Du hast recht: Es geht mich nichts an. Und es ist mir auch völlig egal, was du im Arkanum treibst. Ich will nur deine Fachkenntnisse. «
»Dein Kumpel scheint doch bestens informiert zu sein.«
»Toby? Er ist ein Amateur. Nicht mit dir zu vergleichen. «
Flora sagte eine Zeitlang nichts, sondern starrte nur mit leeren Augen über die Straße. Dann seufzte sie. »Was willst du wissen?«
Cat holte tief Luft.
»Als ich das erste Mal im Arkanum war, wurde die
Sechs der Kelche ausgespielt. Aber als ich zurückkehrte, um sie wiederzufinden, war die Schwelle verschwunden. Ich will von dir wissen, wie ich wieder in diese Karte kommen kann.«
»Es ist eine gefährliche Karte.«
»Ich dachte, es sei eine Glückskarte.«
Flora machte eine kleine, ungeduldige Handbewegung. »Auch Glückskarten haben ihre Fallstricke. Besonders diese. Menschen können in ihr verschwinden, endlos in der Vergangenheit herumwandern und ihr wirkliches Selbst vergessen … Immerhin«, fuhr sie leise fort, »gibt es ein paar Dinge, die noch verführerischer sind als Glückseligkeit.«
Einen Moment lang erhaschte Cat den Klang von weit entferntem Gelächter, den Duft nach Blumen und sonnendurchtränkter Erde. Es war einmal eine Familie: Caroline, Adam und Kitty Harper. Aber dann ging ihr Glück verloren. Es wurde gestohlen. Herausgerissen und in blutigen Fetzen auf den Boden geworfen.
Sie presste die Zähne zusammen.
»Ich will nicht in die Karte zurück, damit ich wieder ein rosiges Baby sein kann. Ich will zurück, weil ich etwas gesehen habe, das ich nicht begreife. Etwas Wichtiges. Es sei denn … Es sei denn, es ist nur ein Trick.«
»Die Karte zeigt die Wahrheit.« Das Gesicht des anderen Mädchens verriet nichts. Cat fragte sich, ob auch Flora über diesen samtweichen Rasen in das Labyrinth aus Erinnerungen geschritten war.
»Also, wie finde ich diese Schwelle wieder?«
»Gar nicht. Eine Schwelle verschwindet, wenn ein Zug beendet ist und der Spieler die Karte verlassen hat. Wenn ein Spielzug vorbei ist, taucht irgendwo eine neue Schwelle auf. Was auf der anderen Seite liegt, hängt von der Karte ab, die dem Ritter zugewiesen wurde, der vor dir die Schwelle übertrat.«
»Hm. Wenn ich in das Arkanum
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