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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. R. Powell
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Abwärtssog gefangen.
    Aber schließlich hellte sich das Schwarz zu einem Grau auf, wurde weicher und wärmer, bis sie in einen erleuchteten Raum stolperten. Auf dem Boden lagen schwarze und weiße Steinplatten im Schachbrettmuster. Die holzgetäfelten Wände bildeten Nischen, in denen altmodische Öllampen brannten. An der Wand zu ihrer Rechten hing ein großer goldener Rahmen, der Cat an die Gemälde in der Galerie erinnerte. Aber die Leinwand war vor Alter oder Schmutz so dunkel geworden, dass das Motiv nicht mehr zu erkennen war. Der Treppe gegenüber befand sich ein Torbogen, vor dem ein Vorhang aus Goldbrokat hing. Und in der Wölbung des Torbogens stand in goldenen Buchstaben: regnabo, regno, regnavi, sum sine regno.
    »Ich werde herrschen, ich herrsche, ich habe geherrscht, ich bin ohne Herrschaft«, sagte Flora leise. »Das ist die Inschrift, die das Rad der Fortuna umgibt.« Anders als ihre Gefährten zeigte sie keinerlei Anzeichen von Nervosität oder Erregung. Ihr Gesicht war ruhig und konzentriert.
    Das einzige Möbelstück in dem Raum war ein runder Tisch mit einer grünen Filzbespannung, auf dem ein pyramidenförmiger Würfel lag. Daneben waren vier Karten um eine fünfte arrangiert, sodass sie sich an den Ecken berührten. Die Seiten des Würfels waren leer, und auch
die Karten verrieten nichts. Auf Vorder – und Rückseite war lediglich ein Muster aus ineinanderlaufenden Rädern zu sehen.
    Es ist, dachte Cat unbehaglich, als würden sie auf ein Spiel warten, das noch nicht einmal angefangen hat.
    Als sie den Vorhang zurückschlugen, sahen sie, wie weit sie hinuntergestiegen waren. Sie befanden sich unterhalb der Fundamente des Temple House, inmitten eines Gemäuers, das aus frühchristlicher Zeit zu stammen schien. Hinter niedrigen Gewölbegängen und eckigen Säulen lag ein von Öllampen erleuchtetes Labyrinth aus Kammern. Ein leichter Duft, der an Weihrauch erinnerte, versüßte die Luft.
    »Sieht aus wie eine Art Krypta«, staunte Toby. »Wo wir gerade dabei sind: Die Werwölfe hatten wir ja schon; jetzt fehlen nur noch ein paar Vampire.«
    »Mensch, hör auf mit dem Theater«, knurrte Cat. Sie würde nicht zulassen, dass Toby ihr Angst einjagte. »Wenn das eine Krypta wäre, müssten irgendwo Inschriften sein. Grabsteine. Typen in schwarzen Kutten, die mit Kruzifixen herumwedeln.«
    »Hört sich doch klasse an.«
    »Dies ist ein heiliger Ort«, sagte Flora leise. »Spürt ihr das nicht?«
    »Ja! Wie der Mithras-Tempel, den sie unter der Stadt ausgegraben haben.« Toby wollte ihr nicht das Oberwasser lassen. »Ich habe darüber gelesen. Die Leute damals haben ihre Riten unter der Erde abgehalten. Vielleicht treffen wir einen heidnischen Gott! «

    »Ja, und vielleicht kannst du dann das Blutopfer spielen. Dann wären wir dich endlich los.«
    »Seid ruhig, alle beide.« Flora presste die Lippen aufeinander, merklich um Beherrschung bemüht. »Zeigt doch mal ein bisschen … Respekt. Okay?«
    Sie gingen weiter, langsam und vorsichtig, an den grob behauenen Säulen vorbei, unter den flackernden Schatten an der Decke über ihnen hindurch. Sie folgten dem beleuchteten Pfad, bis er in einer kreisrunden Kammer mit einem hohen Kuppeldach endete. In der Mitte der Kammer wuchs ein Baum. An einem seiner Äste war ein Seil befestigt, an dessen Ende der regungslose Körper eines Mannes hing.
    Alle drei sogen scharf den Atem ein. Der Baum wuchs kräftig und grün aus dem blanken Stein. Das schimmernde Laub rauschte, obwohl sich hier unten in den Tiefen der Erde kein Windhauch regte und die Lampen an der Wand ruhig und stetig brannten. Der schlaffe Körper schien den Ast nach unten zu ziehen, wie eine monströse Frucht.
    Dann öffnete der Mann die Augen und lächelte: »Ave, Fortuna, Imperatrix Mundi!«

    Cat schmeckte Blut. Ohne es zu merken, hatte sie sich fest auf die Lippe gebissen. Neben ihr stand Flora so starr wie eine Salzsäule. Selbst Toby war ausnahmsweise einmal sprachlos.
    »Fürchtet euch nicht«, sagte der Mann. Seine Stimme war so friedvoll wie sein Lächeln. »Ich kann euch nichts zuleide tun.«

    Nach dem ersten Schrecken sah Cat, dass sein Kopf zwar in der Schlinge steckte, er aber von einer unsichtbaren Macht gehalten wurde. Er hing mitten in der Luft, als ob er schwerelos wäre, etwa einen Meter über dem Boden.
    Die Augen, die ihnen entgegenblickten, waren unglaublich groß und strahlend blau. Sie saßen in einem sanften, kindlichen Gesicht. Seiner Haut fehlte jegliche Farbe, und sein

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