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Das Spiel des Schicksals

Das Spiel des Schicksals

Titel: Das Spiel des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. R. Powell
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Sieben der Stäbe standen. »Aber das wisst ihr ja bereits. Ich vermute allerdings, dass es von den meisten Spielzügen Ausgänge zum Temple House gibt, wenn man sie nur finden kann.«
    Cat verdaute immer noch die Neuigkeit, dass Flora bereits seit fünf Jahren im Spiel war. »Du hast bestimmt schon viele Karten erlebt. Heißt das, dass du genau weißt, in welcher Karte du bist, wenn du die Schwelle überschritten hast?«
    »So viele Karten waren es gar nicht. Regelmäßige Ausflüge ins Arkanum sind der Gesundheit abträglich. Und außerdem erweckt das Arkanum eine Karte niemals zweimal auf die gleiche Art und Weise zum Leben – es mag grundsätzliche Übereinstimmungen in den Spielzügen geben, aber sie sind niemals identisch.« Floras Stimme klang ungeduldig. »Können wir jetzt weiter?«
    Das Temple House machte einen verlassenen Eindruck. Die Fensterläden waren geschlossen, und die Luft roch abgestanden und modrig. Während sie durch den hinteren Korridor gingen, wurde der Eindruck eines Gebäudes, in dem sich schon lange Zeit niemand mehr aufgehalten hatte, immer stärker. Der goldene Vorhang in der Eingangshalle war verschwunden und auf der Matte hinter der Haustür stapelte sich Werbepost, die durch den Briefschlitz in der Tür geworfen worden war. Der Raum rechts
der Treppe war völlig leer. In dem linken Zimmer hingen weiße Laken über den Möbeln.
    Flora führte sie die Treppe hinauf bis zum zweiten Stock, hinein in den mit Spiegeln ausgekleideten Ballsaal. Das letzte Mal war er hell erleuchtet gewesen, aber jetzt waren die Reflexionen in den Spiegelwänden so blass wie Geister. Irgendwie weckte das Gefühl von Verlassenheit Cats Misstrauen. Sie betrachtete die schwarzen Bildschirme, die von der Decke herabhingen, und fragte sich, wer sie sehen konnte und von wo aus. Der träge Alastor, die kühle Odile, Lucrezia mit ihrer dunklen Üppigkeit, Ahab, so düster wie ein Grabstein.
    Flora schien ihre Gedanken lesen zu können. »Alles in Ordnung. Das Temple House gehört allen Spielern. Niemand wird sich einmischen. Jetzt schaut euch das hier mal an.«
    Sie standen vor der Spiegelwand, die den Türen gegenüberlag. Die schimmernde Fläche wirkte genauso gleichförmig wie die anderen Glasscheiben entlang den Wänden, aber Flora trat zu dem Mittelteil, wo sie bei näherem Hinsehen ein kleines Schlüsselloch an der Seite entdeckten. Um das Schlüsselloch war ein Oval in das Glas geritzt – eine Null.
    »Ich kenne jeden Zentimeter in diesem Haus«, sagte Flora, »jeden Raum, jeden Korridor. Ich habe das Haus erlebt, wenn es darin so wimmelte wie in einem Bienenkorb und wenn es so menschenleer war wie heute, und dies ist die einzige Tür, die ich noch niemals offen gesehen habe. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand versucht
hätte, hindurchzugehen, habe noch nicht einmal einen Fingerabdruck auf dem Glas entdeckt.«
    »Worauf warten wir dann?«, fragte Toby.
    Flora vergeudete keine Zeit mit irgendwelchen großspurigen Gesten. Sie steckte den silbernen Schlüssel ins Schloss und drehte ihn mit einem Ruck um. Ein Klicken ertönte, und dann öffnete sich das Glaspaneel mit einem kurzen Ruck, glitt leicht und geräuschlos zur Seite. Dahinter lag eine schmale Steintreppe.
    Atemlos hielten sie inne und betrachteten die steilen Stufen, die Dunkelheit in den lauernden Schatten. Toby fasste sich als Erster wieder. »Kann ich vorgehen?«, fragte er mit der Stimme eines eifrigen Kindes.
    Für ihn wird wohl ein Traum wahr, dachte Cat, während sie ihm folgte. Verborgene Kammern, Geheimgänge, schaurige Verliese, vielleicht sogar Drachen … Dann ertönte hinter ihr ein weiteres Klicken, und die Treppe verschwand in völliger Dunkelheit. Flora hatte die Tür geschlossen.
    »Bist du irre?«, zischte Cat. »Wir können ja nicht die Hand vor Augen sehen! Und wie sollen wir wieder zurückfinden? «
    »Wir haben den Schlüssel«, erwiderte Flora knapp. »Also können wir jederzeit wieder hinaus. Ich will nur das Risiko, dass uns jemand nachschleicht, so gering wie möglich halten.«
    Das klang vernünftig. Vorsichtig, mit den Füßen vorwärtstastend, stiegen sie die Treppe hinunter. Sie fuhren mit den Händen an den Wänden entlang, um nicht den
Halt zu verlieren, aber obwohl die Wände kühl und glatt waren, hämmerte Cat das Herz bis zum Hals. Sie verlor die Orientierung, wie viele Stockwerke sie schon nach unten gestiegen waren. Es kam ihr so vor, als würde diese Dunkelheit niemals enden, als wären sie in einem ewigen

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