Das Spiel des Schicksals
ein Kunde eines Pornoladens zog Cat die Schultern hoch, schaute sich verstohlen um und ging hinein.
Das Ladengeschäft war ordentlich aufgeräumt und hell erleuchtet, und sie war erleichtert, dass die anderen Leute, die interessiert die Auslagen betrachteten, eigentlich ziemlich normal aussahen. Nur eine oder zwei langbärtige Gestalten waren dabei. Sie ging zur Kasse, wo ein gelangweilt wirkender Typ, der aussah wie ein Student, in einer angesagten Musikzeitschrift las.
»Entschuldigung.«
»Ja?«
»Habt ihr hier auch Sachen für … Rollenspiele?«
Er stieß einen langen, gequälten Seufzer aus. »Worauf stehst du?«
»Ich weiß nicht genau … «
»Space Opera, Western, Wicca, Crime … oder vielleicht bist du eher der Endzeit-Typ?«
»Ich glaube n…«
»Klar, Sword’n’Sorcery ist immer angesagt.« Er wedelte mit der Hand zu einer Vitrine voller kleiner Figuren. »Mir wurde gesagt, wir hätten eine besonders schöne Auswahl an Hobbits.« Jetzt grinste er verächtlich, und sie starrte ihn kalt an. Sie hatte erwartet, dass in solchen Läden nur Enthusiasten arbeiteten.
»Kann ich dir helfen?« Ein kleiner Mann trat geschäftig neben sie.
»Ich habe nach Rollenspielen gefragt«, sagte Cat und wandte dem Tolkien-Verächter demonstrativ den Rücken zu.
Der Mann strahlte und hätte vor Begeisterung beinahe einen Luftsprung gemacht. Das war schon mehr nach ihrem Geschmack. »Wonach genau suchst du denn?«
»Ich bin nicht sicher … Ich habe nur überlegt … Kennen Sie irgendwelche Rollenspiele, die auf Kartenspielen basieren, auf Tarotkarten etwa?«, fragte sie betont beiläufig.
»Nun, einige Spielführer benutzen sie, aber normalerweise nur als Grundlage für ein Fantasy-Szenario. Die Leute erfinden entweder ihre eigenen Spiele, oder sie kaufen fertige Sets, inklusive Handlungsanweisung. Wenn du Interesse hast, kann ich dir einen Katalog geben.«
War das der Grund, warum sich diese Leute an einem Freitagabend getroffen hatten ? Damit sie mit Karten um Zwergen – und Elfenfiguren spielen konnten? Cat waren ihre Fragen plötzlich peinlich. Sie gehörte nicht an einen Ort wie diesen. Nichts von dem Zeug hier hatte irgendetwas mit ihr zu tun. »Ähm … danke. Ich überleg’s mir noch mal.« Rückwärts ging sie zur Tür.
In den nächsten paar Wochen geisterte Cat nicht in der Circle Line herum, sondern verbrachte die Abende und Wochenenden mit Spaziergängen. Im Westend fühlte sie sich wie im Urlaub. Die Lichter waren grell, aber fröhlich, und die Leute gut gelaunt. Cat war nicht leichtsinnig;
niemals trieb sie sich zu später Stunde in den Straßen herum, wenn die Angestellten und Touristen, die sich ein spätes Bier genehmigt hatten, nach Hause gegangen waren und die Stadt ihre dunklen Seiten hervorkehrte. Außerdem rief Bel jeden Abend um punkt halb elf in der Wohnung an, und wehe, Cat nahm den Hörer nicht ab.
Manchmal fiel Cats Blick auf eine Gruppe von Mädchen, die hinter der Fensterscheibe in einem Café saßen und kicherten oder sich vor einer Kneipe unterhakten. Dann empfand sie eine flüchtige Ruhelosigkeit. Einmal, als sie acht gewesen war, hatte sie eine Freundin in der Schule gehabt, eine beste Freundin, Tara. Als sie hörte, dass sie umziehen würden, hatte sie einen ganzen Tag lang geweint. Bel war verständnisvoll gewesen, aber hart geblieben. »Überall, wo man auch hingeht und was man auch tut, trifft man die gleichen Leute. Die Wahrheit ist, dass niemand unersetzlich ist, wenn man es genau nimmt.« Als sie älter wurde, erkannte Cat, dass Bel recht hatte. Die Taras und Gregs dieser Welt waren nett und manchmal auch hilfreich, aber sie waren nicht von Dauer. Bel und Cat dagegen waren unzertrennlich und gleichzeitig vogelfrei. Das war ihre Abmachung.
Auch die Schulen waren in Cats Augen alle gleich – obwohl die, die sie derzeit besuchte, ein bisschen größer und chaotischer war als die meisten anderen. Mittlerweile verstand sie es meisterhaft, sich gerade so viel Mühe zu geben, dass sie nicht auffiel. Auch die angesagten Cliquen und die Freundschaften außerhalb der Klasse waren dieselben wie überall.
Am letzten Tag des Schuljahres ging sie mit ein paar Mädchen aus ihrem Jahrgang in ein Schnellrestaurant. Später sollte noch eine Party steigen, aber da war Cat es schon leid und ging nach Hause. In der Wohnung bereute sie ihren Entschluss. Nachdem sie eine halbe Stunde dem hämmernden Bass aus der Stereoanlage in der Nachbarwohnung gelauscht hatte, gab sie es auf. Nur
Weitere Kostenlose Bücher