Das Spiel seine Lebens
konnte Myron wieder gehen, bis das Hinken verschwunden war, dauerte es allerdings noch zwei Jahre. An ein Comeback als Basketballspieler war nicht zu denken.
Seine Karriere war zu Ende. Ihm war das einzige Leben genommen worden, das er je gekannt hatte. Die Presse hatte noch den einen oder anderen Bericht über seine Verletzung gebracht, doch dann war er schnell vergessen.
Vollkommene Finsternis.
Jessica runzelte die Stirn. Licht der Öffentlichkeit. Schlechte Metapher. Zu klischeehaft und zu unpräzise. Sie sah zu ihm hinauf.
»Ach, deshalb«, sagte Myron.
»Was deshalb?«
»Esperanzas Laune.«
»Oh.« Sie lächelte. »Ich habe ihr gesagt, dass ich angemeldet bin. Sie war wohl nicht erfreut, mich zu sehen.«
»Sag bloß.«
»Sie würde mich immer noch auf der Stelle umbringen, wenn ihr jemand fünf Cent dafür bietet.«
»Die Hälfte würde es wohl auch tun«, antwortete er. »Willst du einen Kaffee?«
»Klar.«
Er nahm den Telefonh örer ab. »Eine Tasse schwarzen Kaffee hätte ich gerne... Danke.« Er legte den Hörer wieder auf und sah sie an.
»Wie geht's Win?«, fragte sie.
»Gut.«
»Das Haus gehört seiner Familie?«
»Ja.«
»Ich habe gehört, er ist so eine ArtFinanzgenie geworden -wider alle Erwartungen.«
Myron nickte und wartete.
»Du hängst also immer noch mit Win rum«, fuhr sie fort. »Esperanza arbeitet auch noch für dich. Viel hat sich ja nicht verändert.«
»Es hat sich sehr viel verändert«, sagte er.
Esperanza kam herein. Sie blickte immer noch verdrie ßlich drein. »Otto Burke ist in einer Besprechung.«
»Versuch Larry Hanson ranzukriegen.«
Sie gab Jessica den Kaffee, l ächelte düster und ging. Jessica starrte in die Tasse. »Glaubst du, sie hat reingespuckt?«
»Wahrscheinlich«, antwortete Myron.
Sie stellte ihn ab. »Ich darf sowieso nicht so viel Kaffee trinken.«
Myron ging um seinen Schreibtisch herum und setzte sich. Die Wand hinter ihm war mit Postern bedeckt. Ausschlie ßlich Musicals. Er trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch.
»Was gestern passiert ist, tut mir Leid«, sagte sie. »Ich wollte dich überraschen, dich überrumpeln. Nicht selbst überrumpelt werden.«
»Du willst immer noch die Oberhand gewinnen?«
»Tja, sieht wohl so aus. Alte Gewohnheit.«
Er zuckte die Achseln, sagte aber nichts.
»Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie.
Er wartete.
Sie holte tief Luft und legte los. »Die Polizei sagt, mein Vater wurde bei einem Raubüberfall getötet. Ich glaube das nicht.«
»Und was glaubst du?«, fragte er.
»Ich glaube, dass dieser Mord irgendwie mit Kathy zusammenhängt.«
Myron war überrascht. Er beugte sich vor. Er hielt ihrem Blick nicht lange stand. »Wie kommst du darauf?«
»Die Polizei hält es für einen Zufall«, sagt sie schlicht. »Ich glaube nicht so recht an Zufälle.«
»Was meint dieser Freund deines Vaters bei der Polizei, wie heißt er noch?«
»Paul Duncan.«
»Genau. Hast du mit ihm gesprochen?«
»Ja.«
»Und?«
Sie fing an, mit dem Fu ß auf den Boden zu klopfen. Eine alte, lästige, unbewusste Angewohnheit. Sie zwang sich aufzuhören. »Paul sagt auch, dass es ein Raubüberfall war. Er erzählt mir lang und breit vom Tatort, von der fehlenden Brieftasche, dem fehlenden Schmuck und was sonst noch dazugehört. Alles ganz logisch und objektiv, was überhaupt nicht seine Artist.«
»Was meinst du damit?«
»Paul Duncan ist ein leidenschaftlicher Mensch. Ein Hitzkopf. Sein bester Freund wird ermordet, und er wirkt beinahe blasiert. Das sieht ihm gar nicht ähnlich.« Sie unterbrach sich und rutschte auf ihrem Stuhl herum. »Irgendwas stimmt hier nicht. Mir fällt keine andere Erklärung ein.«
Myron rieb sich das Kinn, sagte aber nichts.
»Also, du weißt ja, dass ich meinem Vater nie sehr nahe gestanden habe«, fuhr sie fort. »Es war nicht leicht, ihn zu mögen. Er kam viel besser mit seinen Leichen zurecht als mit Lebewesen, die noch atmen. Er war sehr für ein ordentliches Familienleben - solange es um das Konzept ging —, aber die Umsetzung in die Realität war ihm zu anstrengend. Trotzdem muss ich die Wahrheit herausbekommen. Für Kathy.«
»Wie sind Kathy und dein Vater miteinander zurechtgekommen?«, fragte Myron.
Sie überlegte einen Augenblick. »Gegen Ende besser. Als wir noch klein waren, hatten sie nicht so viel Kontakt. Kathy war Mamis Liebling, war immer bei meiner Mutter zu finden, wollte genau wie sie werden und so. Aber kurz vor ihrem Verschwinden, stand sie meinem Vater wohl
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