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Das Spiel seine Lebens

Das Spiel seine Lebens

Titel: Das Spiel seine Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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weitererzählst?«
    Myron zuckte die Achseln. »Da muss ich wohl gelogen haben.«

16
    Fast wie in Trance bedankte Jessica sich bei Myron und legte den H örer auf. Sie taumelte in die Küche und setzte sich. Ihre Mutter und ihr jüngerer Bruder Edward sahen sie an.
    »Schatz«, ergriff Carol Culver das Wort, »ist alles in Ordnung?«
    »Ja«, brachte sie heraus.
    »Mit wem hast du telefoniert?«
    »Myron.«
    Schweigen.
    »Wir haben über Kathy gesprochen«, fuhr sie fort.
    »Was ist mit ihr?«, fragte Edward.
    Ihr Bruder war schon immer Edward genannt worden - nicht Ed, Eddie oder Ted. Er hatte erst vor einem Jahr das College verlassen und war bereits Inhaber der erfolgreichen Computerfirma IMCS (Interactive Management Computer Systems), die Software f ür verschiedene renommierte Firmen entwickelte. Edward trug selbst im Büro immer Jeans und abscheuliche T-Shirts; billiger Stoff mit dämlichen aufgebügelten Sprüchen wie »Keep on Truckin«. Er besaß keine Krawatte. Sein Gesicht war breit, fast etwas feminin, mit feinen, porzellanartigen Zügen. Viele Frauen h ätten alles für seine Wimpern gegeben. Nur die kurzgeschorenen Haare - und der prägnante Spruch auf dem T-Shirt - deuteten an, dass Edward stolz auf das war, was er tat: COMPUTER WEENIES HAVE THE BEST HARDWARE.
    Jessica holte tief Luft. F ür Feinheiten und Gefühlsduseleien war jetzt kein Platz mehr. Sie öffnete ihre Handtasche und zog ein Exemplar von Nips heraus. »Dieses Magazin wird seit ein paar Tagen an den Kiosken verkauft«, sagte sie.
    Sie warf es auf den Tisch. Eine Mischung aus Verwirrung und Abscheu zeigte sich auf dem Gesicht ihrer Mutter.
    Edward blieb unger ührt. »Was zum Teufel ist das?«, fragte er.
    Jessica schlug die Seite im hinteren Teil auf. »Da«, sagte sie und zeigte auf Kathys Foto in der unteren Reihe.
    Sie brauchten einen Augenblick, bis sie verstanden, was sie sahen. Die Verarbeitung schien irgendwo zwischen Auge und Hirn h ängen zu bleiben. Dann stöhnte Carol Culver auf. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, um ihren Schrei zu ersticken. Edwards Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    Jessica lie ß ihnen keinen Zeit, sich zu erholen. »Und es geht noch weiter«, sagte sie.
    Ihre Mutter sah sie mit leerem, gehetztem Blick an. Ihre Augen waren leblos, es war fast so, als h ätte ein letzter kalter Windstoß die gerade noch flackernde Flamme ausgeblasen.
    »Ein Handschriftexperte hat die Adresse auf dem Umschlag geprüft, in dem es gekommen ist. Sie stimmt mit Kathys überein.«
    Edwards Atem ging sto ßweise. Carols Knie knickten ein. Sie sackte auf ihren Stuhl und bekreuzigte sich. Ihr standen Tränen in den Augen.
    »Sie lebt?«, brachte sie heraus.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber möglich wäre es?«, setzte Edward nach.
    Jessica nickte. »Ganz ausgeschlossen war es nie.«
    Sie schwiegen wie gel ähmt.
    »Aber ich habe noch ein paar Fragen«, fuhr Jessica fort. »Was ist mit Kathy geschehen. Warum hat sie sich so verändert?«
    Edwards Augen verengten sich erneut. »Was meinst du damit?«
    »Kathy hatte auf der High School eine Affäre mit ihrem Englischlehrer. In ihrem letzten Schuljahr.«
    Wieder Schweigen. Jessica war nicht sicher, ob Überraschung die Ursache war.
    »Der Lehrer, eine Wanze namens Gary Grady hat es zugegeben.«
    »Nein«, sagte ihre Mutter matt. Sie senkte den Kopf, und ihr Kruzifix baumelte wie ein Pendel vor ihrer Brust. Sie fing an zu weinen. »O mein Gott, nicht mein Baby...«
    Edward stand auf. »Das reicht, Jess.«
    »Nein, das reicht nicht.«
    Edward schnappte sich seine Jacke. »Ich gehe.«
    »Warte. Wo willst du hin?«
    »Tschüs.«
    »Wir müssen das ausdiskutieren.«
    »Müssen wir nicht.«
    »Edward -«
    Er st ürmte durch die Gartentür und schlug sie hinter sich zu.
    Jessica wandte sich wieder ihrer Mutter zu, die herzergreifend schluchzte. Jessica sah ihr ein oder zwei Minuten zu. Dann drehte sie sich um und verlie ß die Küche.
    Als Myron eintraf, sa ß Roy O'Connor schon hinten in der Nische. Sein Glas war leer und er lutschte auf einem Eiswürfel herum. Er klang wie ein Ameisenbär in der Nähe eines Ameisenhaufens.
    »Hi, Roy.«
    O'Connor nickte in Richtung des Stuhls gegen über, stand jedoch nicht auf. Er trug mehrere goldene Ringe, die in den Falten seiner dicken, sauberen Finger zu verschwinden drohten. Die Fingernägel waren manikürt. Er war zwischen 45 und 55 Jahre alt und trug die schütter werdenden Haare zeitlos modern über die Glatze gekämmt, wodurch der

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