Das Spiel
Aufzugschacht und, wie es aussieht, mindestens ebenso tief. Von hier kommt die frische Luft. Aus dem Untergrund unter dem Capi-tol. Einige Leute behaupten, diese Löcher reichen mehr als hundert Meter tief. Dem Echo nach zu urteilen, das mit der frischen Luft an mir vorbeirauscht, klingt das nicht übertrieben.
Neben dem Loch lehnt ein rechteckiges Metallgitter aufrecht an der Wand, das vermutlich als Schutzabdek-kung dient. Im Moment jedoch ist das Loch nur mit einem schmalen, schwarz-gelb gestreiften Polizeiabsperrband gesichert. Vorsicht steht darauf. Offenbar wird hier gerade gebaut. Natürlich hat das Capitol seine üblichen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. Achtung - feuchter Boden steht auf zwei gelben Plastikschildern direkt am Rand. Diese Schilder könnten nicht einmal ein Niesen aufhalten. Genau darauf spekuliert Janos. Er bückt sich und packt mich am Hemdkragen.
Grob zieht er mich auf die Füße und schiebt mich rückwärts zu dem Loch. Meine Beine scheinen mit Weizenmehl gefüllt zu sein. Ich kann kaum aufrecht stehen. »Nicht! Tu das nicht!« Vergeblich versuche ich mich irgendwo festzuhalten.
Wie üblich sagt er kein Wort. Ich bemühe mich, auf den Beinen zu bleiben. Er versetzt mir einen Hieb auf die Brust. Der Schlag hallt dumpf wie ein Urknall in dem Gewölbe. Ich will mich an seinem Hemd festhalten, aber ich finde keinen Halt. Hilflos stolpere ich zurück, geradewegs auf das Loch zu.
78. KAPITEL
Barry schlang seinen Arm fest um Vivs Kehle, biß die Zähne zusammen, beugte sich zurück und drückte so fest zu, wie er konnte. Viv kämpfte um Luft, und Barry konnte sie kaum halten. Sie hatte breite Schultern und war größer und kräftiger, als er vermutet hatte. Das war das Problem, wenn man jemanden nur nach seinem Schatten beurteilen konnte. Man wußte es nie genau, bis man die Person direkt anfaßte.
Viv wand sich in seinem Griff und versuchte, irgendwie zu entkommen. Sie grub ihre Fingernägel tief in Barrys Unterarm. Während sie nach Luft rang, lief ihr Speichel auf Barrys nackten Unterarm. Widerlich, dachte er. Er drückte noch fester zu und zog sie dicht an sich. Vivs Hand zuckte hoch, und sie schlug nach seinen Augen.
Berry wandte den Kopf ab, um sein Gesicht zu schützen. Das genügte Viv. Sie erwischte ein Büschel seines Haars und zog aus Leibeskräften.
Barry schrie auf. »Du Miststück ...!« Er beugte sich vor, um den Schmerz zu lindern, und stand auf den Zehenspitzen. Viv duckte sich noch tiefer, und nun fühlte Barry jeden Zentimeter ihrer Größe. Einen Moment war er aus dem Gleichgewicht gebracht. Viv warf sich mit ihrem ganzen Gewicht zurück gegen die Wand hinter sich. Barry krachte mit dem Rücken gegen die Steine, ließ Viv jedoch nicht los. Sie stolperten gegen die Propangasfla-schen, die wie Kegel umfielen. Barry versuchte Viv zurückzuziehen, aber während dieses seltsamen Tanzes schob sie ihn weiter zurück. Sie prallten gegen einen Boiler. Viv krachte mit ihrem Körper gegen Barry. Das spitze Endstück eines Rohres bohrte sich in seinen Rücken.
Er heulte auf vor Schmerz und ging in die Knie. Nun konnte er Viv nicht länger festhalten. Ihre Schuhe kratzten über den Zement. Sie kroch weiter in den Raum hinein.
Barry rieb sich den Rücken, verdrängte die Schmerzen und sah sich um. Es war hier nicht sonderlich hell, deshalb schwebten die meisten Schatten lediglich wie schmutzige Flecken vor seinem getrübten Auge. Von weiter weg hörte er heiseres Knurren und nasales Stöhnen. Das waren Harris und Janos. Janos würde nicht lange brauchen, um mit Harris fertig zu werden. Also konnte sich Barry in Ruhe auf Viv konzentrieren.
»Glaubst du etwa, ich könnte dich nicht sehen?« rief er, folgte dem Kratzen ihrer Schuhe und hoffte, daß sein Bluff sie herauslocken würde. Weiter oben sah er den Rand des Belüfters, aber in Richtung Boden verschwammen die Einzelheiten in einem grauen Schleier.
Links von ihm kratzte etwas auf dem den Zement. Viv bewegte sich. Barry drehte den Kopf in die Richtung, doch es rührte sich nichts. Der dunkle Fleck blieb wie vorher. Hatte er sich bewegt? Nein. Konzentrier dich, du bist kurz vor dem Ziel! befahl sich Barry. Er war am Ende gewesen, doch hier war seine Chance, wieder nach oben zu kommen.
Eine Sekunde später hörte er ein helles Klicken hinter sich. Die Propanflaschen! Er wirbelte herum, aber das Geräusch war viel zu hoch gewesen. Es hatte wie ein Stein auf Metall geklungen. Sie hatte einen Stein geworfen.
»Willst du mich auf
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