Das Spiel
die Probe stellen?« Er drehte sich wieder zu den Maschinen herum und gab sich Mühe, unbeeindruckt zu klingen. Doch er war sichtlich nervös, als er den Raum absuchte, von rechts nach links und von oben nach unten. Die Schatten. Nein. Nichts hatte sich gerührt. Gar nichts.
Die Maschinen um ihn herum brummten dröhnend ihre monotone Melodie. Rechts von ihm flackerte die Flamme des Brennofens und loderte mit einem lauten Fauchen auf. Links von ihm beendete ein tuckernder Kompressor seinen Zyklus und verstummte. Der Wind pfiff ihm ins Gesicht. Nur Viv rührte sich nicht.
Er lauschte auf das Keuchen ihres Atems, isolierte jedes Geräusch, jedes Zischen, Stottern und Pfeifen. Je weiter er in den Raum hineintrat, desto weniger konnte er sehen, aber er wußte, daß Viv Angst hatte. Sie war irritiert und würde einen Fehler machen.
Je weiter Barry vordrang, desto mehr Geräusche drangen an seine Ohren. Etwas Metallisches klapperte links von ihm. Oder war es rechts? Wie angewurzelt blieb er stehen.
Etwas huschte raschelnd an ihm vorbei. Er sprang sofort wieder zur Tür zurück, als das Geräusch verstummte.
»Viv, sei doch nicht dumm!« warnte er sie. Seine Stimme klang brüchig.
Plötzlich war es totenstill.
Etwas knackte, als hätte jemand einen Zweig in ein Lagerfeuer geworfen.
»Viv ...?«
Keine Antwort.
Barry tastete sich vorsichtig weiter und betrachtete prüfend den Umriß jeder Maschine. Die schwarzen Flecken änderten sich nicht. Nichts bewegte sich.
»Viv, bist du noch da?«
Einen Augenblick fühlte Barry, wie sich seine Brust zusammenkrampfte. Er kannte das Gefühl, rief sich jedoch ins Gedächtnis, daß er keinen Grund zur Panik hatte. Viv würde nirgendwohin gehen. Solange sie Angst hatte, würde sie nicht riskieren, etwas ...
Etwas schleifte über den Zement. Sohlen knallten in vollem Galopp auf dem Boden. Hinter ihm. Viv rannte zur Tür.
Barry wirbelte herum und hörte, wie der Wischeimer gegen die Wand prallte. Erneut knirschte Metall auf Zement, als sie eine der leeren Propangasflaschen hochhob. Vermutlich schleppte sie die Flasche zur Tür. Dann sah er ihren Schatten. Er wurde nicht kleiner! Im Gegenteil! Er wurde größer. Sie lief nicht weg. Sie kam auf ihn zu!
»Wirf mal einen genauen Blick darauf, Arschloch!« Viv schwang die Flasche mit aller Kraft und hielt sie fest, als sie an Barrys Kopf landete. Schon dieses Geräusch war die Sache wert. Ein unnatürliches Ploppen, als träfe ein Aluminiumbaseballschläger auf eine Warzenmelone. Barrys Kopf flog heftig zur Seite, und er sackte zusammen.
»Hast du's gesehen? War es hell genug?« schrie Viv, während Barry zu Boden stürzte. Seit sie in das Haus in der Vorstadt gezogen waren, hatten alle auf ihr herumgehackt. Jetzt zahlten sich endlich all diese Prügeleien aus.
Barry griff nach Vivs Beinen, aber ihm drehte sich schon alles vor Augen. Viv rammte ihm die Propangasflasche auf die Brust. Ihm blieb die Luft weg, und er konnte sich kaum noch rühren.
»Hast du wirklich gedacht, du hättest eine Chance?« schrie Viv. »Mann, du bist blind! Was hast du geglaubt? Du kannst mich schlagen, bloß weil ich ein Mädchen bin?«
Barrys getrübtes Auge blickte nach oben und sah Vivs langen Schatten über sich. Sie hob den Fuß über seinen Kopf, bereit, zuzutreten. Die Sohle war das letzte, was Barry schemenhaft sah, bevor seine Welt vollkommen dunkel wurde.
79. KAPITEL
Ich taumele rückwärts auf das offene Loch am Ende des Luftkanals zu und verschwende keine Zeit damit, nach einem Halt zu suchen. Statt dessen versuche ich mit letzter Kraft, mich herumzuwerfen.
Ich kann in das Loch sehen, als ich nur noch wenige Schritte vom Rand entfernt bin. Alles geht rasend schnell. Meine Füße berühren schon den Rand des Lochs. Ich setze meinen Schwung ein und mache einen großen Satz nach rechts. Das Trägheitsmoment kommt mir dabei zu Hilfe. Ich verpasse die Ecke des Lochs knapp, was gut ist. Nur segle ich direkt gegen die Ziegelmauer. Das ist schlecht.
Ich strecke die Hände aus und lande mit voller Wucht an der Wand. Meine Arme fangen zwar den Aufprall auf, doch unter meinem Gewicht gibt mein Ellbogen nach. Der Schmerz ist einfach zu groß. Janos hat ihm ziemlich übel mitgespielt. Ich sinke zusammen, rolle auf den Rücken, stütze mich auf meinen guten Ellbogen und schaue in das Loch. Kieselsteine fallen hinein. Ich lausche, weil ich herausfinden will, wie lange es dauert, bis sie auf dem Boden aufschlagen, doch im nächsten Moment zerrt jemand
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