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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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ihre zuversichtliche Miene zu behalten, doch die Hand, mit der sie meine umklammert, ist schweißnaß. Der Adrenalinschub läßt schnell nach. Als sie den Sauerstoffdetektor vom Boden aufhebt und auf die Digitalanzeige schaut, erwarte ich, daß sie auf der Stelle stehenbleibt. Das tut sie zwar nicht, aber sie wird langsamer.
    »Achtzehn Komma acht?« fragt sie. »Was ist aus den neunzehn Komma sechs vom Aufzug geworden?«
    »Der Aufzugschacht ist mit der Oberfläche verbunden. Dort ist der Sauerstoffgehalt zwangsläufig höher. Glaub mir, Viv, ich gehe nirgendwohin, wo es gefährlich für uns werden könnte.«
    »Ach nein?« Sie glaubt mir kein Wort. »Wo sind wir denn jetzt? Spazieren wir etwa am Jefferson Memorial herum und schießen Fotos von blühenden Kirschbäumen?«
    »Vielleicht beruhigt es dich ja, wenn du erfährst, daß die Kirschen erst ab April blühen.«
    Sie betrachtet die bemoosten, schlammbespritzten Wände. Dann leuchtet sie mir ins Gesicht. Ich sage nichts. Fünf Minuten arbeiten wir uns vorsichtig durch die Dunkelheit. Der Boden senkt sich allmählich ab.
    Während das schreckliche Loch uns immer tiefer in sich hineinzieht, steigt die Temperatur zunehmend an. Viv bleibt hinter mir und beschwert sich nicht, atmet jedoch in der heißen, feuchten Luft immer angestrengter.
    »Bist du sicher, daß du ...?« erkundige ich mich.
    »Geh einfach weiter«, unterbricht sie mich.
    Die nächsten siebzig Meter sage ich kein Wort. Es wird immer heißer. »Geht es dir gut dahinten?« erkundige ich mich schließlich.
    Viv nickt. Der Lichtkegel ihrer Grubenlampe tanzt mit den Bewegungen ihres Kopfes auf und ab. Jemand hat mit roter Farbe das Wort Aufzug an die Wand gesprayt, und ein Pfeil deutet auf den Stollen rechts von uns.
    »Bist du sicher, daß wir nicht im Kreis laufen?« fragt sie.
    »Es geht immer nur bergab«, erwidere ich. »Die meisten Stollen bauen einen zweiten Aufzug als Sicherheitsmaßnahme ein. Damit niemand hier unten festsitzt, falls der erste ausfällt.«
    Es ist eine beruhigende Theorie. Trotzdem verlangsamt sich Vivs Atem nicht. Bevor ich etwas sagen kann, höre ich ein vertrautes Tröpfeln im Hintergrund.
    »Ein undichter Wasserhahn?« flüstert Viv.
    »Jedenfalls ist das fließendes Wasser ...« Das Geräusch ist zu leise, als daß wir es orten könnten. »Ich glaube, es kommt von da oben«, füge ich hinzu, als sie den Lichtkegel ihrer Lampe in die Ferne richtet.
    »Bist du sicher?« Sie sieht sich um.
    »Es kommt ganz eindeutig von da oben.« Ich versuche, dem Geräusch zu folgen.
    »Warte, Harris ...!«
    Ich laufe los. Ein hohes Schrillen malträtiert unsere Ohren. Es ist ohrenbetäubend, fast wie ein Atomalarm. Ich bleibe stehen und sehe mich um. Falls wir einen Alarm ausgelöst haben ...
    Weiter hinten im Stollen flammt ein Scheinwerfer auf, und ein Motor wird angelassen. Die Maschine stand schon die ganze Zeit da im Dunkeln. Bevor wir reagieren können, rast sie wie ein Güterzug auf uns zu.
    Viv will weglaufen, aber ich halte sie am Handgelenk fest. Das Ding ist zu schnell. Wir können ihm nicht entkommen. Es ist besser, nicht verdächtig zu wirken.
    Das Gefährt kommt kreischend einen Meter vor uns zum Stehen. Vivs Lampe beleuchtet das verbeulte gelbe Fahrzeug und den Mann, der drin sitzt. Das Ding sieht aus wie eine Minilokomotive ohne Dach. Auf der Haube ist ein großer Scheinwerfer befestigt. Hinter dem Steuer hockt ein bärtiger, mittelalter Mann in einem schmutzigen Overall. Er stellt den Motor ab, und das hohe Pfeifen hört endlich auf.
    »Tut mir leid wegen der Hitze. Wir reparieren das in den nächsten paar Stunden«, erklärt er.
    »Reparieren?«
    »Glauben Sie, uns gefällt das?« Er leuchtet mit der Grubenlampe über die Wände und die Decke. »Die Säule steht fast auf siebzig Grad ...« Er lacht leise. »Selbst für achttausend Fuß Tiefe ist das heiß.« Ich erkenne den tonlosen South-Dakota-Akzent des Mannes, der vor uns mit dem Aufzug heruntergefahren ist. Garth, glaube ich. Ja, es ist Garth. Mir fällt vor allem sein Tonfall auf. Er ist nicht aggressiv, sondern eher entschuldigend. »Machen
    Sie sich keine Sorgen«, bittet er uns. »Es steht ganz oben auf unserer Liste.«
    »Das ist wirklich großartig«, erwidere ich.
    »Die Klimaanlage und die Entlüftung sind so gut wie einsatzbereit. Das heißt, Sie können in Null Komma nichts wieder atmen. Dann schwitzen Sie auch nicht mehr so«, fügt er hinzu und deutet auf unsere durchnäßten Hemden.
    »Danke.« Ich lache

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