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Das Spinnennetz

Das Spinnennetz

Titel: Das Spinnennetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Roth
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dieses und jenes Haus kostete. Er bekam viele Angebote. Er sonderte sie in jene, auf die er nicht eingehen konnte, und solche, für die sein Geld reichte.
    Fast hätte er darüber seine Aufgaben vergessen. Er glich einem Bräutigam, der den Sonnenaufgang am Tage der Erfüllung verschläft. Sein spähendes Auge irrte zu fremden Zielen. Sein eingeschläfertes Ohr vernahm nicht mehr die verheißenden Gewitter der Zeit. Er sah Trebitsch nicht mehr. Er schrieb nichts mehr für den »Nationalen Beobachter«.
    Gleichgültig ging er an den Lebensmittelläden vorbei, vor denen hungrige Mengen lärmten. Am Nachmittag plünderten Arbeiter in Potsdam.
    Eine stille Geschäftigkeit herrschte in der Kaserne. Es rückte eine fremde Maschinengewehrkompanie ein und blieb – niemand wußte, wie lange. Niemand kannte den Oberleutnant, der sie befehligte.
    Man sprach weniger, der Oberst saß schweigsam und steif. Er hatte dunkelrote, blaugeäderte Wangen. Sie hingen, wenn er schwieg, wie kleine Täschchen aus Haut über den Kragen. Am Ende der Tafel, wo die »jungen Leute« saßen, machte man keine Witze mehr. Man las Zeitungen, den politischen Teil, und kümmerte sich nicht um das Geld.
    Es war eine angstvolle Feierlichkeit, als wartete man auf eine beglückende Katastrophe. Major von Lübbe hielt einen Vortrag über die Zukunft des Luftkrieges. Es war jener bereits bekannte Vortrag, den Major Lübbe einigemal im Jahr aus einer alten Nummer der »Kreuzzeitung« vorzulesen pflegte. Er hatte als Hauptmann einen Artikel über Luftkriege verfaßt. Das war lange her. Wenn er den Aufsatz las, drückten sich die Stabsoffiziere. Nur die jungen Leute mußten bleiben und lauschen. Sie lauschten. Der Major sprach von Zeppelin. Er war einmal beim Grafen Zeppelin Gast gewesen. Und der Aufsatz handelte eigentlich nicht vom Luftkrieg, sondern von der Persönlichkeit des Grafen.
    Diesmal drückten sich die Stabsoffiziere nicht. Es war der Zeit nicht angemessen. Sie erforderte strengste militärische und gesellschaftliche Pflichterfüllung. Aber diesmal sprach der Major auch nicht mehr so viel über den Grafen Zeppelin. Er sprach von der Zeit des Grafen und verglich sie mit der Gegenwart. Und mahnte zur deutschen Einigkeit. Und sprach von harrenden Aufgaben. Und sogar die Stabsoffiziere lauschten.
    In zwei Wochen war die Enthüllung einer Gedenktafel fällig. Dazu hatte das Regiment alle alten Offiziere und den General Ludendorff eingeladen. Natürlich kam er. Der Oberst verkündete es im Kasino; er sprach langsam, er formte die Laute sichtbar, und er arbeitete dabei mit den Kiefern, so daß seine Täschchen schlotterten.
    Man exerzierte mit erneuten Kräften. Man putzte Gewehre, fettete Läufe, übte Griffe. Die Musik spielte, alte Märsche frischte sie auf.
    Und die Menschen in den Städten hungerten. Nachrichten vom Generalstreik brannten in den Zeitungen. Die Arbeiter schlichen mit schweren, langsamen Schritten am Abend durch die Straßen. Ihre Frauen warteten. Die Männer kamen nicht heim. Kalt war der Herd. Kein Essen war bereitet. Was sollten sie zu Hause? Sie gingen in die Schenken. Es reichte für Schnaps. Betrunkene fühlen keinen Hunger. Betrunkene torkelten, schleiften ihre Füße über den Asphalt. Straßen waren abgesperrt. Polizeihelme starrten. Über zerschmetterten Schaufenstern hingen Rolladen wie eiserne Sargdeckel. Verhaltene Schüsse erwarteten ihre blutige Stunde.
    Ein Geheimbefehl erreichte Theodor: Eifer verdreifachen. Es fuhr in Theodor wie ein Trompetenstoß. Seine Zeit brach an. Er war bereit. Er rüstete sich für den Tag. Heute und morgen konnte es sein.
    Er berief seine Garde. Die Jungen kamen. Sie brachten neue Kameraden aus dem Bismarck-Bund mit. Sie brachten Pistolen zum Einschießen. Theodor ging zum Waffenmeister. Alle Gewehre wurden geputzt. Alte Bajonette strahlten. Die Jungen blieben einen Tag in der Kaserne. Wie berauschte sie der Rost der alten Waffen! Und wie blendete sie der Glanz der neuen! Konnten sie’s wissen? Dieses und jenes Gewehr hatte alle Kriege mitgemacht. Feinde getötet. Eine große Kraft ging von einem Gewehrkolben aus. Zauberhaft wirkte der Griff eines Säbels. Von welch tapferem Reiter war er geschwungen worden? Blind war der Stahl … Von Blut! sagten sie. Rostflecke waren Blutflecke. Blut des Feindes klebte an den Waffen.
    Am Sonntag kam der General.
    Am Sonntag rückte das Regiment aus, mit klingendem Spiel. Die Oktobersonne strahlte wie im Frühling. Bürger winkten aus den Fenstern. Fahnen

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