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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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indem er ihm seine Hand reichte.«
    »Ja, ich kenne diese Geschichte. Und in welcher Hinsicht fanden Sie sie interessant?«
    »In unserer Diskussion warfen wir viele Fragen auf. Zum Beispiel: Warum heilte Rabbi Yohanan sich nicht einfach selbst?«
    »Und natürlich diskutierte die Klasse das Argument, dass ein Gefangener sich nicht selbst befreien kann und dass der Lohn der Leiden im Jenseits liegt.«
    »Ja, ich weiß, das ist sehr vertraut, vielleicht ermüdend für Sie, aber für jemanden wie mich sind solche Diskussionen anregend. Wo sonst hätte ich wohl die Gelegenheit, mit Gesprächen wie diesen der eigenen Seele auf den Grund zu gehen? Einige in meiner Klasse sagten das eine, andere widersprachen, wieder andere fragten sich, weshalb bestimmte Worte verwendet wurden, wo ein anderes Wort vielleicht größere Klarheit gebracht hätte. Unser Lehrer ermutigt uns, jedes winzige Bruchstück an Information im Text zu überprüfen.
    Und um ein weiteres Beispiel zu nennen«, fuhr Franco fort: »Vergangene Woche diskutierten wir eine Geschichte über einen berühmten Rabbiner, der dem Tod nahe war, höllische Schmerzen litt, aber durch die Gebete seiner Schüler und seiner Mit-Rabbiner am Leben erhalten wurde. Seine Dienerin hatte Mitleid mit ihm und warf einen Krug vom Dach, der mit einem solchen Getöse zerbrach, dass sie erschraken und zu beten aufhörten. In genau diesem Augenblick starb der Rabbiner.«
    »Ach ja – Rabbi Yehudah ha-Nasi. Und ich bin sicher, dass Sie auch darüber diskutierten, ob die Dienerin richtig gehandelt oder sich des Totschlags schuldig gemacht hatte und auch ob die anderen Rabbiner unbarmherzig gewesen waren, indem sie ihn am Leben erhielten und so seine Ankunft im paradiesischen Jenseits verzögerten.«
    »Ich kann mir Ihre Antwort darauf vorstellen, Bento. Ich kenne Ihre Einstellung zum Glauben an ein Leben nach dem Tode nur zu gut.«
    »Genau. Die fundamentale Prämisse für ein Leben nach dem Tode ist mit Mängeln behaftet. Aber Ihre Klasse war nicht bereit, diese Prämisse in Frage zu stellen.«
    »Ja, Sie haben Recht, da gibt es Grenzen. Aber trotzdem ist es ein Privileg, ja eine Freude, stundenlang mit anderen zusammenzusitzen und so gewichtige Themen zu diskutieren. Und unser Lehrer bringt uns bei, wie wir argumentieren sollen. Wenn ein Argument mehr als offensichtlich scheint, lehrt man uns zu fragen, weshalb der Schreiber es überhaupt erwähnte – vielleicht gab es ja ein verborgenes Argument, das hinter diesen Worten lauerte. Wenn wir vollkommen damit zufrieden sind, alles verstanden zu haben, lernen wir, das darunterliegende allgemeine Prinzip aufzuspüren. Wenn ein Argument irrelevant ist, dann lernen wir, uns zu fragen, weshalb der Autor es verwendete. Kurz gesagt, Bento, das Studium des Talmud lehrt mich, wie ich denken soll, und ich glaube, dass das auch für Sie selbst gegolten haben mag. Vielleicht war es das Studium des Talmud, das Ihren Geist so scharf geschliffen hat.«
    Bento nickte. »Ich kann nicht abstreiten, dass es wertvoll für mich war, Franco. Im Rückblick hätte ich vielleicht ein weniger weitschweifiges, dafür aber vernünftigeres Vorgehen bevorzugt. Euklid, zum Beispiel, kommt direkt auf den Punkt und trägt nicht mit rätselhaften und oft einander widersprechenden Geschichten zusätzlich zur Verwirrung bei.«
    »Euklid? Der Erfinder der Geometrie?«
    Bento nickte.
    »Euklid behalte ich mir für meine nächste, meine weltliche Ausbildung vor. Aber im Augenblick tut’s der Talmud auch. Zum Beispiel liebe ich Geschichten. Sie geben dem Unterricht Leben und Tiefe. Alle Leute lieben Geschichten.«
    »Nein, Franco, nicht alle. Berücksichtigen Sie Ihre Beweisführung zu dieser Aussage. Das ist eine unbestätigte Schlussfolgerung, von der ich persönlich weiß, dass sie falsch ist.«
    »Ah, Sie mögen keine Geschichten. Noch nicht einmal als Kind?«
    Bento schloss die Augen und rezitierte: »›Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und war klug wie ein Kind und hatte kindische Anschläge …‹«
    »›Da ich aber ein Mann ward, tat ich ab, was kindisch war.‹ Der erste Brief des Paulus an die Korinther.«
    »Erstaunlich! Sie sind inzwischen so schnell, so selbstsicher, Franco. So ganz anders als dieser verstörte, ungebildete junge Mann, der damals gerade mit dem Schiff aus Portugal gekommen war.«
    »Ungebildet für jüdische Verhältnisse. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass wir Conversos eine zwar erzwungene, aber umfassende katholische

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