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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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Gesprächspausen. Vorher gab es bei uns noch nie Gesprächspausen. Wir hatten einander immer viel zu viel zu sagen – wir plauderten ohne Pause. Es gab keinen einzigen Augenblick der Stille.«
    Bento nickte.
    »Mein Vater, gesegnet sei sein Name«, fuhr Franco fort, »sagte immer, dass, wenn über etwas Bedeutendes nicht gesprochen wird, dann kann auch sonst nichts von Bedeutung gesagt werden. Stimmen Sie mir zu, Bento?«
    »Ihr Vater war ein weiser Mann. Etwas Bedeutendes? Was meinen Sie?«
    »Zweifellos hat es mit meiner Erscheinung und meiner Begeisterung für meine jüdische Ausbildung zu tun. Ich vermute, dass Sie dies beunruhigt, und nun wissen Sie nicht, was Sie sagen sollen.«
    »Ja, in Ihren Worten liegt Wahrheit. Aber … nun ja … ich weiß nicht, was ich …«
    »Bento, ich bin nicht daran gewöhnt, dass Sie nach Worten suchen. Wenn ich für Sie sprechen darf, so glaube ich, dass dieses ›Bedeutende‹ Ihr Missfallen meiner Studienrichtung gegenüber ist, doch gleichzeitig sind Sie mir herzlich zugetan, möchten meine Entscheidung respektieren und nichts sagen, was mir Unbehagen bereitet.«
    »Gut gesagt, Franco. Ich konnte die richtigen Worte nicht finden. Sie wissen, dass Sie in solchen Dingen ungewöhnlich gut sind.«
    »In solchen Dingen?«
    »Ich meine, die Nuancen dessen zu verstehen, was zwischen Leuten gesagt und nicht gesagt wird. Sie verblüffen mich mit Ihrem Scharfsinn.«
    Franco beugte den Kopf. »Danke, Bento. Das hat mir mein seliger Vater vererbt. Ich lernte es von Kindesbeinen an.«
    Erneutes Schweigen.
    »Bitte, Bento, versuchen Sie, mir zu sagen, was Sie bis jetzt über unser heutiges Treffen denken.«
    »Ich will es versuchen. Es stimmt, etwas ist anders. Wir haben uns verändert, und es fällt mir ungewöhnlich schwer, damit zurechtzukommen. Sie müssen mir helfen, es aufzulösen.«
    »Am besten wird es sein, wenn Sie einfach darüber sprechen, auf welche Weise wir uns verändert haben. Von Ihrer Perspektive aus, meine ich.«
    »Bis jetzt war ich es, der der Lehrmeister war, und Sie der Schüler, der meine Ansichten teilte und sein Leben mit mir im Exil verbringen wollte. Jetzt ist alles anders geworden.«
    »Weil ich mich jetzt mit dem Studium der Thora und des Talmud beschäftige?«
    Bento schüttelte den Kopf. »Es ist mehr als das Studium: Ihre genauen Worte waren ›erquickliches Studium‹. Und Sie hatten Recht mit Ihrer Diagnose meines Herzens. Ich hatte tatsächlich Angst, Sie zu verletzen oder Ihre Freude zu mindern.«
    »Glauben Sie, dass unsere Wege sich trennen?«
    »Ist es nicht so? Selbst wenn Sie keine Familie hätten, die Sie hält, würden Sie sich denn heute noch dafür entscheiden, meinen Weg mit mir zu gehen?«
    Franco zögerte und dachte lange nach, bevor er antwortete: »Meine Antwort, Bento, ist: Ja und nein. Ich glaube, ich würde nicht Ihren Lebensweg einschlagen. Und auch wenn das so ist, haben sich unsere Wege nicht getrennt.«
    »Wie kann das sein? Erklären Sie es mir.«
    »Ich teile noch immer voll und ganz Ihre Kritik zu religiösem Aberglauben, die Sie in den Gesprächen mit Jacob und mir äußerten. Insoweit stimme ich mit Ihnen vollkommen überein.«
    »Und trotzdem empfinden Sie große Freude bei Ihrem Studium abergläubischer Texte?«
    »Nein, das ist nicht richtig. Ich habe Freude am Vorgang des Studierens, nicht immer am Inhalt dessen, was ich studiere. Wissen Sie, mein Lehrmeister, es gibt einen Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen.«
    »Bitte erklären Sie mir das, mein Lehrmeister.« Bento, der nun sehr erleichtert war, grinste übers ganze Gesicht, streckte den Arm aus und zerzauste Francos Haar.
    Franco erwiderte sein Grinsen, hielt einen Augenblick inne und genoss Bentos Berührung. Dann fuhr er fort: »Mit Vorgang meine ich, dass ich große Freude daran habe, mich mit intellektuellen Studien zu befassen. Das Studium des Hebräischen gefällt mir sehr, und ich genieße es, dass sich die ganze antike Welt vor mir auftut. Mein Studium des Talmud ist viel interessanter, als ich es mir vorgestellt habe. Erst kürzlich diskutierten wir eine Geschichte von Rabbi Yohanan …«
    »Welche Geschichte?«
    »Die Geschichte, dass er einen anderen Rabbiner heilte, indem er ihm die Hand reichte. Und als er selbst einmal krank wurde, besuchte ihn ein anderer Rabbiner und fragte: ›Sind dir deine Leiden willkommen?‹ Und Rabbi Yohanan gab zur Antwort: ›Nein, weder sie noch ihr Lohn.‹ Und so heilte der andere Rabbiner dann Rabbi Yohanan,

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