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Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition)

Titel: Das Spinoza-Problem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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Gegensatz zu was? Was wäre dann volle Zufriedenheit?«
    »Sowohl Goethe als auch Spinoza postulierten, dass wir unser Schicksal niemals an etwas Bestechlichem oder Wankelmütigem festmachen sollen. Spinoza mahnt uns vielmehr, etwas Unbestechliches und ewig Gültiges zu lieben.«
    »Was bedeutet?«
    » Was bedeutet, dass Gott oder vielmehr Spinozas Verständnis von Gott identisch mit der Natur ist. Erinnere dich an Spinozas Worte, die Goethe so sehr beeinflussten: ›Wer Gott liebt, kann nicht wünschen, daß Gott ihn wiederliebt.‹
    Er sagt, dass wir in Torheit leben, wenn wir Gott in der Erwartung lieben, dass wir dafür auch die Liebe Gottes bekommen. Spinozas Gott ist kein empfindendes Wesen. Wenn wir Gott lieben, können wir keine Liebe zurückbekommen, aber wir erhalten andere Segnungen.«
    »Welche anderen Segnungen?«
    »Etwas, das Spinoza als die höchste Form der Seligkeit bezeichnet – Amor dei intellectualis . Hier höre dir die entsprechende Passage in der Ethik an:
    ›Nützlich fürs Leben ist daher vor allem, den Verstand oder die Vernunft, soviel als möglich zu vervollkommnen. Darin allein besteht des Menschen höchstes Glück oder die Glückseligkeit. Denn die Glückseligkeit ist nichts anderes als die Zufriedenheit des Geistes, welche aus der intuitiven Erkenntnis Gottes entspringt.‹
    »Wie du siehst«, fuhr Friedrich fort, »besteht Spinozas religiöses Empfinden anscheinend aus der Ehrfurcht, die jemand empfindet, wenn er die großen Zusammenhänge der Naturgesetze wahrnimmt. Diese Idee machte Goethe sich voll und ganz zu eigen.«
    »Ich versuche, dir zu folgen, Friedrich, aber ich brauche etwas Greifbares, etwas, womit ich arbeiten kann.«
    »Ich glaube, ich bin kein guter Lehrmeister. Kehren wir zu deiner ursprünglichen Forderung zurück: ›Ich will das Gleiche, das Goethe von Spinoza bekommen hat.‹«
    Friedrich warf einen Blick in seine Aufzeichnungen. »Hier steht, was du bekommen wolltest: ›Seelenfrieden, Gleichgewicht, Freiheit vom Einfluss anderer und ein ruhiges, diszipliniertes Denken‹, um zu einer klaren Weltsicht zu gelangen. Dein Gedächtnis ist übrigens ausgezeichnet. Gestern Abend las ich nochmals Goethes Bemerkungen zu Spinoza durch: Du hast ihn sehr präzise zitiert. Obwohl er Spinoza als edlen, bemerkenswerten Menschen betrachtete, der ein beispielhaftes Leben führte, und obwohl er Spinoza zugutehielt, dass er sein Leben änderte, gibt er uns unglücklicherweise keine für uns nützliche, genauere Auskunft darüber, auf welche Art und Weise Spinoza ihm geholfen hat.«
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Nun, ich schlage folgendes vor: Ich gebe dir ein paar informative Vermutungen darüber, auf welche Weise Spinoza ihn beeinflusste. Beachte zunächst, dass Goethe bestimmte Spinoza-ähnliche Gedanken schon formuliert hatte, bevor er überhaupt mit Spinoza in Berührung kam – dass alles in der Natur zusammenhängt, die Vorstellung, dass die Natur selbstregulierend ist, mit nichts außerhalb von ihr oder über ihr. Aus diesem Grund fand Goethe viel Zustimmung, als er Spinoza las. Beide Männer erfuhren einen Zustand extremer Freude, als sie das Zusammenspiel aller Dinge in der Natur begriffen. Und denke daran, dass Gott für Spinoza identisch mit der Natur war. Er verweist nicht auf den christlichen oder jüdischen Gott, sondern auf eine allgemein gültige Religion der Vernunft, in welcher es keine Christen, Juden, Muslime oder Hindus mehr gibt.«
    »Hmm. Mir war nicht bewusst, dass er alle Religionen beseitigen wollte. Interessant.«
    »Er war ein Universalist. Er rechnete damit, dass konventionelle Religionen in dem Maße verschwinden, in dem immer mehr Menschen sich auf die Suche nach einem möglichst umfassenden Verständnis des Kosmos machen. Ein wenig sind wir schon vor ein paar Jahren darauf eingegangen. Spinoza war der überragende Rationalist. Er sah einen endlosen Strom von Kausalität auf der Welt. Für ihn gibt es keine Entität wie Wille oder Willenskraft. Nichts geschieht aus einer Laune heraus. Alles wird von etwas Vorausgegangenem verursacht, und je mehr wir uns dem Verständnis dieser Verknüpfung von Ursachen widmen, desto freier werden wir sein. Es war diese Sicht eines geordneten Universums mit vorhersehbaren, mathematisch abgeleiteten Gesetzen, eine Welt mit einer unendlichen erklärenden Macht, die Goethe ein Gefühl von Ruhe vermittelte.«
    »Genug, Friedrich, in meinem Kopf dreht sich alles. Diese natürliche Planmäßigkeit lässt mich

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