Das spröde Licht: Roman (German Edition)
Finsternis Schranken gesetzt sind.
Das Telefon klingelte, aber das andere, nicht das Handy. Da die Jungen nur das Handy anwählten, nahm ich nicht ab, denn ich wollte jetzt um nichts in der Welt mit Dingen belästigt werden, die mit meiner Arbeit zu tun hatten. Ich hoffte, Sara würde aus dem Bad kommen und sich der Sache annehmen. Aber das Telefon klingelte weiter, und genau in dem Augenblick, in dem sie aufgebracht aus dem Badezimmer rief, ich sollte doch bitte rangehen, das Telefon würde nicht beißen, hörte das Klingeln auf. Und als sie im Bademantel, mit nassen Locken und nach Seife duftend herauskam, klingelte es wieder.
Es war ihre älteste Schwester, die nach dem vorigen Gespräch beunruhigt war. Sie war offenbar überrascht, dass Sara antwortete, denn sie musste annehmen, Sara sei zur Arbeit gegangen. Sara sagte, sie sei zu Hause geblieben, weil sie sich nicht wohl gefühlt habe. Eine Erkältung oder Grippe wahrscheinlich. Ja, ja, ja. Doch, mit Jacobo ist alles in Ordnung, das hab ich dir doch vorhin schon gesagt. Nein, nein. David ist eben aus der Wohnung gegangen, sagte sie und machte mir Zeichen, ich solle still sein. Sie wusste, dass ich nicht gut im Schwindeln war, und wollte den Hörer nicht an mich weitergeben, denn ich hätte sicher etwas Falsches gesagt. Kopfschmerzen, ja, sagte sie, und Übelkeit. Ich habe mich ins Bett gelegt. Also adios. Ich ruf dich wieder an. Wie bitte? Alles in Ordnung, ja, ich hab dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist. Gut, gut, Grüße an alle. Wie bitte? Adios, adios.
Der Abend kam unerbittlich heran. Unten lag der Friedhof bereits im Halbdunkel, und der Himmel wurde dunkelblau.
Zu dieser Stunde beginnen hier in La Mesa die Fledermäuse um die Bäume zu schwirren. In dieser Gegend sind sie ziemlich klein, und sie haben eine, ich möchte sagen, unschuldige Art zu fliegen, ein bisschen wie Schmetterlinge. Sie ernähren sich von Bananen und Mandarinen. Ich gehe immer auf die Veranda hinter dem Haus, um sie zu beobachten – oder besser gesagt, um mich zu vergewissern, dass sie da sind, denn sehen kann ich sie ja kaum noch –, und da sitze ich dann auf einem tuchbespannten Klappstuhl, wie sie die Filmregisseure haben, mit einem Bier, das mir Ángela, kurz bevor sie geht, in einem im Eisfach vorgekühlten Glas bringt. Hinter den Bäumen öffnet sich die Schlucht, über der unter Tags die Aasgeier kreisen. Soweit ich zurückdenken kann, ist dies für mich immer die schwerste Stunde des Tages gewesen. Auch in New York schon, wo ich mich um diese Zeit in einer der weniger belebten Bars verkroch, um schweigend etwas zu trinken. Hier in La Mesa empfinde ich zwar die Schönheit der Stunde, ihre Halbtöne, und ich freue mich über die Fledermäuse im Halbdunkel, aber manchmal überkommt mich die Schwermut. »Jetzt schlägt die Stunde des Autismus«, sagte Sara immer, wenn sie sah, wie ich meine erste Pielroja anzündete, mir einen Rum oder das Bier einschenkte, das ich jeden Tag trinke, und mich in mich selbst gekehrt auf die Veranda verzog. Ich bin eigentlich kein sentimentaler oder romantischer Mensch, aber es ist immer diese Stunde, in der ich Sara am meisten vermisse und in der die Sehnsucht nach ihr mich quält …
»Sieh mal einer an! Und du sagst, du hast keinen Sinn für Romantik, David?«, hätte sie jetzt vielleicht gesagt. »Du raubst mir manchmal wirklich den Atem!«
Der Friedhof lag jetzt ganz im Dunkeln, und das Dunkelblau des Himmels war fast schwarz geworden.
vierzehn
Ich ging in eine Kneipe am Tompkins Square Park, 7th Street, Ecke Avenue B, Schauplatz einer berühmten Filmszene, in der ein dicker Mann mit einem Kabel erwürgt wird.
Die Kneipe war nicht sehr voll, und zum Glück war der Fernseher ausgeschaltet. Ich bestellte einen Tequila und ein Bier und setzte mich an einen Tisch am Fenster, gegenüber der Bartheke, an der der Dicke, der heftig strampelte, erwürgt worden war. Durch das Fenster konnte ich im Licht der Straßenlampen die Ulmen im Park sehen und die Leute, die ihre Hunde ausführten.
Die Hunde von New York haben mich immer beeindruckt. Sie sind so kastriert und manierlich, dass sie im Leben schon tot zu sein scheinen. Sie reißen nicht an ihrer Leine, und nur ganz selten nimmt einer Notiz von den Eichhörnchen oder bellt sie gar an, vom Eichhörnchen-Jagen ganz zu schweigen. Manchmal müssen die Hundebesitzer sogar vorangehen und die Hunde hinter sich her ziehen. Schade, dass die Hunde in den Interviews, denen ich mich stellen
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