Das spröde Licht: Roman (German Edition)
schwarze Augen. Helle Haut, schwarzes glattes Haar. Blendend weiße Zähne, und lächeln fällt ihr leicht. Nackt muss sie wie eine Venus aussehen. Ich hätte gern ein paar Kohlezeichnungen von ihr gemacht, auch angezogen.
einundzwanzig
Ich sprach als Letzter mit den Jungen, aber nicht von der Küche aus, sondern ich ging mit dem Telefon ins Wohnzimmer zu meiner Staffelei. Diesmal konnte ich lange mit Jacobo reden, der weiter starke Schmerzen hatte, aber sonst ruhig war. Nein, schlafen könne er nicht. Wegen dieser verfluchten Schmerzen könne er kein Auge zumachen. Und jetzt hab ich dazu noch Verstopfung bekommen. Ich bin es leid, dass man mir sogar beim Scheißen helfen muss, Dad. (Meine Söhne waren viel schneller mit Kraftausdrücken zur Stelle als ich.) Hast du Angst?, fragte ich ihn ganz direkt, und er sagte, natürlich habe er Angst, oder hältst du mich vielleicht für Superman, David? Ich lachte ein wenig, mehr um die Atmosphäre zu entkrampfen. Es folgte langes Schweigen. Wenn du es dir anders überlegst, ist das völlig in Ordnung, sagte ich. Ich weiß schon, Dad, ich weiß. Wenn ich es mir anders überlege, ist das völlig in Ordnung. Ich sagte: Keiner zwingt dich, stark oder mutig zu sein, klar? Ja, David, das weiß ich alles, sagte er und klang etwas ungeduldig. Und unser Muskelmann Pablo?, fragte ich. Der ist okay, sagte er. Der wird mit der ganzen Welt fertig und hat immer noch Kräfte über. Wie findest du die Orchideen, die er sich hat machen lassen?, fragte er. Die Tattoos?, doch, die gefallen mir, sagte ich, wirklich sehr hübsch, aber glaubst du, er lässt sich noch mehr machen? Ich denke schon, Dad, be prepared. Wenn einer mal damit anfängt, hört er nicht mehr auf. Aber sie stehen ihm gut, nicht wahr?, fragte er. Sie sind wirklich sehr schön, sagte ich. Hör mal, sagte er, wie geht’s Mamá? Ich meine, wie geht sie damit um? Ich sagte ihm die Wahrheit: Ich glaube, sie hätte gern, dass du es dir anders überlegst und wieder nach Hause kommst, aber sicher bin ich mir auch nicht. Ja, sagte er, wer weiß schon was. Und wie kommst du mit dem Bild von der Fähre voran?, fragte er. Es steht hier vor mir. Ich bin immer noch nicht zufrieden, aber ich komme der Sache näher. Dann erzählte ich ihm, dass Arturo sich mit seiner Freundin gestritten hatte und dass er sehr reizbar sei. Klar, David, das ist doch kein Wunder jetzt, mit meiner Geschichte, oder? Ganz toll die letzten Stiche, die du von Amber gemacht hast, sagte er, wohl um rasch das Thema zu wechseln. Ja, die sind gut geworden, sagte ich, sie ist eben eine Schönheit. Hoffentlich ist es nicht endgültig aus zwischen den beiden, ich würde gern noch ein paar Bilder von ihr machen. Eine Umarmung, Dad, wir sprechen uns später wieder, sagte er. Eine Umarmung, Jacobo. Pablo soll dich massieren, wenn die Schmerzen zu arg werden, hörst du? Wir sind immer für dich da, hörst du? Nimm irgendwelche Schmerztabletten, sagte ich, ich weiß ja, dass sie nichts bringen, aber sie geben dir vielleicht das Gefühl, dass sie helfen. In Ordnung, David. Eine Umarmung. Adios. Adios.
Da saß ich, mit dem Kopf in den Händen, die Ellbogen auf die Knie gestützt, und starrte den Fußboden an, saß in demselben Sessel, von dem aus ich immer meine Bilder betrachtete, das Licht des Wassers, das ich noch nicht im Griff hatte . Sara kam herein und küsste mich auf den Kopf, die Augen, die Nase, den Mund und wieder auf die Augen. Gottlob war sie allein gekommen, denn in meinem Zustand hätte ich eine Kollektivbezeugung von Schmerz und Mitgefühl American style nicht verkraftet.
Und hier musste der sentimentale alte Knacker wieder eine Pause machen. Tattergreis. Prostatus. Als wäre die Welt für mich wegen meiner Makula-Degeneration nicht schon verschwommen genug. Ich rauchte eine Pielroja und legte mich hin, um eine Weile zu schlafen. Übrigens habe ich mit meiner Prostata nie ein Problem gehabt und bin stolz darauf, dass ich noch pissen kann wie ein Ross. Etwa eine halbe Stunde später wachte ich auf und fühlte mich schlapp. Womöglich niedriger Blutdruck. Ángela brachte mir einen doppelten Aguardiente, der mich wiederbelebte. Ich legte Musik von Villa-Lobos auf, dieselbe, die mir in New York schließlich geholfen hat, das Bild mit der Fähre von Staten Island hinzukriegen. Und ich setzte mich wieder an meine Riesenlupe und die Manuskriptseiten, während Barbara Hendricks mit leuchtender Stimme eine Melodie sang, die in meinen Ohren wie Trauermusik klang, eine
Weitere Kostenlose Bücher