Das stählerne Geheimnis
schweren Hebezeuge zu laufen. Von neuem strafften sich die Trossen, der Aufstieg begann. Meter um Meter hißten die Maschinen die schweren Kabel aus der See. Noch triefend vom Seewasser liefen sie wie riesige Schlangen in den leeren Bauch der »City of Frisco« zurück und füllten ihn allmählich, während das Rohr der Meeresoberfläche näher kam.
Ein Kilometer … noch fünfhundert Meter … Kaum ein Wort war in den langen Stunden, die der Versuch nun schon währte, zwischen Roddington und Dr. Wegener gewechselt worden. Fieberhaft rechnete der Doktor, während er dabei die Zeigerstellungen der Meßinstrumente notierte. Mit einem tiefen Seufzer ließ er den Schreibblock sinken. Langsam und schwer kamen die Worte von seinen Lippen.
»Es hilft nichts, Mr. Roddington, bei dreizehn Kilometer Tiefe brechen die Holzmäntel zusammen. Wir müssen annehmen, daß die letzten beiden Kilometer des Stranges mit ihrer vollen Last an den Trossen hängen werden.«
Null Meter gaben die Zeiger der Zählwerke an. Das obere Ende des Rohres tauchte aus der See auf. Eine starke Kabelschlaufe wurde über Bord gelassen, um auch das untere Ende zu fangen und das ganze Stück waagrecht emporzuhissen.
Wie hatte es sich bei dieser Fahrt in die tiefsten Tiefen des Ozeans verändert! Bis auf einen geringen Bruchteil seiner früheren Stärke war der Holzmantel unter dem riesenhaften Druck von anderthalbtausend Atmosphären zusammengequetscht. Jedes Fäserchen in der gewaltigen Holzmasse mußte zerrissen und zerborsten sein, denn diese Veränderung blieb bestehen. Auch jetzt, wieder in der Luft, befreit von dem fürchterlichen Druck, behielt der Mantel die Form, welche die Gewalten der Tiefe ihm aufgezwungen hatten. Das gemarterte Holz dehnte sich nicht wieder aus.
Wie gebannt starrten James Roddington und Dr. Wegener auf den jetzt auch noch gewaltigen Zylinder, den der Gummibelag wie eine faltig und runzlig gewordene Greisenhaut umgab. Sie bemerkten es darüber nicht, wie weit im Osten an der Kimme der See ein Segel gehißt wurde und ein Boot seinen Weg fortsetzte. Mit einer energischen Bewegung strich sich der Doktor durch den Schopf.
»Fassen wir das Ergebnis zusammen«, sagte er entschlossen.
»Der Gummi hat gehalten, was wir erwarteten. Das Holz bricht bei dreizehn Kilometer zusammen. Wir wollen mit doppelter Sicherheit rechnen; verlangen Sie in Washington Hilfsmittel, um die untersten vier Kilometer sicher abzufangen.«
Roddington sah ihn lange an, bevor er fragte: »Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden, Doktor Wegener?«
Fast ebensolange ließ sich der Doktor Zeit, ehe er antwortete.
»Es hätte schlimmer kommen können. Ich glaube, wir dürfen zufrieden sein, und vielleicht … vielleicht, Mr. Roddington ist es sogar gut so, wie es jetzt ist.«
»Wie meinen Sie das?« fragte Roddington.
»Ich meine es so, Mr. Roddington: Mit einer Überlast von vierzig- bis fünfzigtausend Tonnen wird sich der Strang tief in den Seeboden einbohren. Wir dürfen noch sicherer als bisher auf einen wasserdichten Anschluß des untersten Rohres an den Seeboden rechnen.«
»Also sind Sie zufrieden, Doktor Wegener?«
»Zufrieden werde ich erst sein, Mr. Roddington, wenn wir das letzte Ziel erreicht haben. Aber jetzt sehe ich den Weg zu ihm offen.«
Die Sterne schimmerten am Firmament, als die »Blue Star« und die »City of Frisco« den Kurs auf Süd setzten, um nach Davao zurückzukehren. Am Morgen des übernächsten Tages machten sie dort am Kai des neuen Werkes fest. Ein kurzer Abschied noch zwischen Roddington und Dr. Wegener. Roddington bestieg das Flugzeug, das ihn schon erwartete. Der Doktor stürzte sich von neuem in die Arbeit. Vieles war ja noch zu tun und bereitzustellen, wenn das gewaltige Werk, dem all sein Schaffen und Streben galt, glücklich vonstatten gehen sollte.
Mit gemischten Gefühlen sah Vicomte Oburu der Ankunft Kyushus entgegen, den man von Tokio aus kürzlich der Botschaft in Washington als Handelsattache zugeteilt hatte. Es gab einen Major Kyushu im japanischen Generalstab, und wenn der etwa dieselbe Person wie der neue »Handelsattache« war, dann konnte das für Oburu bedeuten, daß man mit seinen Berichten in Tokio nicht zufrieden war und es vorzog, noch einen anderen, vielleicht geschickteren Fachmann auf den Posten in Washington zu schicken.
Schneller, als er es gedacht, verging die Zeit. Der Tag kam, an dem Kyushu in der Bundeshauptstadt eintraf, und schon am nächsten Tag wurde Oburu von ihm zu einer
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