Das Steinbett
Kaffee. Lindell beschlich das Gefühl, einen gewieften Taktierer vor sich zu haben.
»Was glauben Sie, warum führen diese Leute eine solche Aktion durch?«
»Sie wollen auf sich aufmerksam machen, das habe ich doch schon gesagt. Wollen sich interessant machen.«
»Sind sie auch bei Ihnen in der Firma gewesen?«
»Nein.«
»Es wäre doch das Normalste gewesen, dort zu demonstrieren, oder nicht?«
»Ich weiß nicht, was bei diesen Leuten normal ist.«
»Sven-Erik Cederén ist mit Tierschützern nicht in Kontakt gekommen?«
»Nein, jedenfalls hat er davon nichts gesagt.«
Lindell schwieg längere Zeit.
»Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Cederén, den Affen und der Aktion bei TV4?«
Ein Ausdruck von Schmerz legte sich auf Mortensens Gesicht. Er wand sich auf seinem Stuhl, sah Lindell kurz an und beugte sich vor.
»Ich weiß nicht, was hier vorgeht«, sagte er leise. »Sven-Erik war mein Freund, alles lief gut. Jetzt bricht alles zusammen, verstehen Sie. Das ganze Unternehmen ist ins Wanken geraten. Alle stellen Fragen. Leute rufen mich an. Womit haben wir das verdient?«
»Sie scheinen ein paar Millionen auf die Seite geschafft zu haben; Sie führen Versuche an Affen durch, die Tierschützer, und wahrscheinlich viele andere Menschen auch, für Tierquälerei halten, Ihr Forschungsleiter überfährt seine Familie und nimmt sich das Leben – kein Wunder, daß die Leute Fragen steilen. Was geht eigentlich vor bei MedForsk?«
Mortensen antwortete nicht.
»Wir werden uns die Affen natürlich ansehen. Vielleicht müssen wir Cederéns Tod neu bewerten.«
»Was meinen Sie damit?«
»Vielleicht gibt es ja eine Verbindung?« Lindell machte sich eine Notiz auf ihrem Block.
»Ich weiß nicht, was in diesen Idioten gefahren ist!«
»Er war doch Ihr Freund«, sagte sie, »Sie sollten es wissen.«
Mortensen blieb stumm. Sein Gesicht schien im Laufe des Gesprächs blasser geworden zu sein. Ein beleidigter Zug legte sich um seinen Mund, so als hätte Lindell eine Abmachung gebrochen. Das Gespräch war beendet. Mortensen stand wortlos auf, während Lindell demonstrativ sitzen blieb.
»Ich werde Sie hinausbegleiten«, sagte sie schließlich.
Sie wußte, daß sie jetzt nicht weiterkommen würden. Die Überprüfung der Affen in Ultuna würde ergeben, daß alles in bester Ordnung war. Dessen war sie sich sicher. Möglicherweise kein schöner Anblick, aber alles nach Vorschrift. Der Mann war ihr zuwider. Mortensens Versuch, den Märtyrer zu spielen, und seine Behauptung, Cederén sei sein Freund gewesen, kamen ihr wie eine billige Schmierenkomödie vor.
Schweigend gingen sie den Korridor hinab, und als Lindell Mortensen hinausließ, fiel eine Last von ihr ab. Sie wollte allein sein. Ihr war den ganzen Abend übel gewesen, und sie war völlig erledigt. Bei Mortensens Vernehmung hatte sie sich nicht sonderlich geschickt angestellt. Sie gab ihrer Abneigung die Schuld dafür. Das Gefühl, in eine Sackgasse geraten zu sein, ärgerte sie. Den Überfall auf ein Fernsehstudio zu untersuchen, das war ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack. Affen in allen Ehren, aber sie wollte sich lieber mit den Problemen der Leute beschäftigen. Sie schämte sich ein wenig für diesen Gedanken, denn natürlich erschütterten sie die Bilder von Tieren voller Schläuche und Nadeln, aber das Bild von Josefin und Emily am Straßenrand beschäftigte sie viel mehr. Sie wollte um jeden Preis verstehen, was sich ereignet hatte, war sich jedoch bewußt, daß sie wahrscheinlich nicht weiterkommen würden. Sven-Erik Cederén hatte die Erklärung für das Drama mit ins Grab genommen.
Vielleicht hatte sie auch Frisks selbstzufriedene Art gereizt. In seine Listen über Veganer und ähnliche Gruppen setzte sie kein großes Vertrauen. Lindell hegte den Verdacht, daß im Grunde jeder auf diesen Listen landen könnte. Die Kollegen von der Sicherheitspolizei und nicht zuletzt ihr Chef verströmten eine Aura von Willkür.
Sie kehrte in ihr Büro zurück. Sie wußte, daß Sammy Nilsson noch im Haus war, aber sie wollte jetzt allein sein. Es war ein langer Tag gewesen.
Wie würde es wohl sein, mit Edvard zusammenzuleben, dachte sie. Wird er akzeptieren, daß ich so oft fort bin? Sie versuchte sich Edvard in einer Wohnung in der Stadt vorzustellen, vor dem Fernseher oder in ein Buch vertieft, während sie im Polizeipräsidium saß oder durch die halbe Provinz eilte. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß er das lange durchhielt.
Von einer Sekunde zur
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