Das Steinbett
lange krank gewesen und hatte um ihr eigenes Leben bangen müssen. Nicht körperlich, denn die Ärzte hatten sie wieder gut zusammengeflickt, aber sie hatte ihr seelisches Gleichgewicht verloren. Sie rieb sich am Leben und mußte sich auf Tabletten verlassen, auf den Schlaf. Niemals wachte sie frohen Mutes auf.
Dann hatte sie das Haus gekauft. Es war eine instinktive Handlung gewesen. Wie benebelt hatte sie den Vertrag und die Kreditvereinbarungen unterschrieben. Bereits zwei Tage später, das Labkraut stand in voller Blüte, spürte sie, wie ihr Körper allmählich wieder funktionierte. Die Dinge bekamen in ihren Händen wieder Gewicht und Sinn. Sie hatte nach dem Schürhaken gegriffen, die Luke des Holzofens in der Küche geöffnet, in die Glut geschaut und sich gewärmt.
Die Vögel waren in flachen Kurven zwischen den verwachsenen Sträuchern hin und her geflogen, zwitscherten und kümmerten sich um ihren Nachwuchs. Nach ein paar Tagen tauchte eine Katze auf, blieb zunächst am Rande des Grundstücks, schlich zwischen den Schuppen umher und versteckte sich in den Nesseln, kam mit der Zeit aber immer näher.
Die quietschenden Türen wurden geölt, Pfade ausgetreten, Holzscheite, die seit Jahren auf einem Haufen gelegen hatten, aufgeschichtet. Sie stand auf dem mit Sägespänen bedeckten Boden im Holzschuppen und lächelte dem Sägebock und dem Hauklotz zu.
Langsam, aber sicher war sie wieder an die Oberfläche gestiegen, war schöner und stärker geworden und hatte einen Platz im Haus, im Garten und in der Landschaft gefunden.
Sie beauftragte Schreiner, Maler und Elektriker. Das Geld aus der Lebensversicherung ihres Mannes reichte aus, um aus dem umgebauten Häuschen ein schönes Zuhause zu machen. Der Kontakt zu den Handwerkern munterte sie auf. Sie entwickelte sich zu einer perfekten Auftraggeberin, die backte, Essen kochte und Kästen mit alkoholfreiem Bier heranschaffte. Selten waren sie an einem Arbeitsplatz so gut versorgt worden. Sie schätzten Gabriella als eine fröhliche Frau, die voller Energie und äußerst patent war.
Weil die Handwerker Männer und einige von ihnen attraktiv waren, widmete sie sich selber wieder etwas mehr Aufmerksamkeit. Nicht, daß sie etwas von ihnen gewollt hätte, aber sie spürte ihre Blicke und wußte, daß sie ihr Aussehen kommentierten. Das taten Männer immer, und es freute sie ein wenig, daß sie Blicke auf sich ziehen konnte und der Gegenstand von unschuldig flirtenden Bemerkungen war.
Dann kam Sven-Erik. Er hatte ihren Mann gekannt und erfahren, daß sie nach Rasbo gezogen war. Er rief an und meinte, es gebe ein paar Bilder, die er ihr gerne zeigen wolle. Er hatte sie beim Aufräumen in einer Schublade gefunden. Die Fotografien waren vor fünfzehn, sechzehn Jahren von einem aus ihrer Clique aufgenommen worden. Ihr Mann, hatte auch dazugehört.
Ihm war der Gedanke gekommen, daß sie vielleicht Interesse an ein paar Abzügen haben könnte, und so hatte er sie angerufen. Nach seinem ersten Besuch war er wiedergekommen, und Gabriella hatte gesehen, wie er sich mit jedem Mal veränderte. Sie begann, sich nach seinen Besuchen zu sehnen.
Jetzt war er fort, und sie wußte nicht, wie sie ohne ihn weiterleben sollte. Alles erinnerte an ihn, er sprach in der Dunkelheit zu ihr und streichelte sie in ihren Träumen. Tagsüber weinte sie aus Sehnsucht und Trauer.
Sie wußte, daß er niemals fähig gewesen wäre, seine Frau und sein Kind zu überfahren. Zugegeben, er liebte Josefin nicht mehr, aber er war kein unberechenbarer Gewalttäter. Er wollte sich zwar von ihr trennen, darauf war er im letzten halben Jahr immer öfter zurückgekommen, aber sicher nicht so. Ganz zu schweigen von Emily, seiner größten Liebe. Er hatte oft von ihr gesprochen, Gabriella Fotos gezeigt. Niemals.
Sie hatte die Berichte in den Zeitungen verfolgt. Jede Zeile quälte sie, aber sie glaubte, alles lesen zu müssen, um zu verstehen, was geschehen war. Sie hatte auch die Todesanzeige gesehen und würde sein Grab besuchen, aber erst später.
Anfangs hatte sie den Gedanken noch akzeptiert, daß er den Verstand verloren, gemordet und sich anschließend das Leben genommen hatte, weil es keine andere Erklärung gab. Ein paar Tage darauf hatte sie mit Jack Mortensen gesprochen, der ihre These gestützt und von Sven-Eriks schwankender Stimmung erzählt hatte. Er bat, daß sie sich nicht bei der Polizei melde. Er denke an Sven-Eriks Nachruf, sagte er, der habe auch so schon genug Flecken
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