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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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nächsten wurde ihr wieder übel, und sie schaffte es gerade bis zum Papierkorb, dann erbrach sie sich. Sie hatte Frisks fettigen Hamburger noch vor Augen und mußte gleich wieder würgen. Hoffentlich kommt jetzt keiner, dachte sie, als es wieder losging.
    Über den Papierkorb gebeugt, mit zitternden Knien und Schweiß auf der Stirn, wurde ihr auf einmal klar, was mit ihr los war. Sie hätte es schon viel früher begreifen müssen, aber erst jetzt durchströmte sie die Erkenntnis eisig kalt. Sie hatte das Gefühl, ihre Körpertemperatur würde um mehrere Grad sinken, und sie schauderte. Das war so falsch, so verdammt falsch!
    Sie starrte auf den Boden des Papierkorbs, wo zerknüllte Blätter, das Resultat der klugen Überlegungen des heutigen Tages, in einem Brei aus Erbrochenem lagen. So falsch! schrie es in ihr, und sie wußte, daß ihr Leben eine Wendung nahm.
    Sie hätte es längst begreifen müssen! Sie hätte doch schon vor zehn Tagen ihre Regel bekommen müssen. Jetzt erinnerte sie sich, daß sie in der Woche vor Mittsommer noch überlegt hatte, wie schade es wäre, wenn es ausgerechnet auf Gräsö soweit wäre. Anschließend hatte sie keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Daß die Regel später kam oder sogar ganz ausblieb, war nichts Ungewöhnliches, wenn sie so im Streß war. Ihre Blutungen waren selten stark oder langanhaltend. Der Zyklus war unregelmäßig, und sie machte sich über ein paar Tage hin oder her keine großen Gedanken.
    Aber jetzt wurde sie sich ihres Körpers schmerzhaft bewußt. Sie hätte es natürlich begreifen und die Zeichen deuten müssen, zum Beispiel die ständige Übelkeit. Sie hatte die Gründe dafür in allem, in unregelmäßigen Mahlzeiten, dem Hering und dem Schnaps gesucht, nur nicht darin.
    Lindell dachte an ihre Versessenheit auf Salziges und Süßes. Oft genug hatte sie beobachtet, wie sich schwangere Freundinnen über Kokosbällchen, Lakritz und alle möglichen Süßigkeiten hermachten, ohne dies mit ihrer eigenen Nascherei in den letzten Wochen in Verbindung zu bringen.
    Als erstes empfand sie Verachtung. Selbstverachtung. Anschließend wurde sie wütend. Warum mußte sie auch mit einem langweiligen Ingenieur ins Bett gehen? Dann bekam sie Angst. Jetzt würde sie Edvard verlieren, den Mann, den sie liebte. Schließlich stellten sich Zweifel ein: Sie war nicht schwanger, es lag am Streß.
    Das Telefon klingelte, und Lindell fuhr erschreckt hoch. Sie starrte den Apparat an. Vier Klingelzeichen. Unmittelbar darauf war ihr Handy zu hören.
    Sie fischte es aus der Tasche und wußte nicht, ob sie sich melden sollte. »Privatnummer« stand auf dem Display.
    Sie drückte die Taste und nannte ihren Namen.
    »Spreche ich mit Ann Lindell?«
    »Ja.« Ihre Stimme war unbeherrscht, und die Frau am anderen Ende holte so tief Luft, daß Lindell es hören konnte.
    »Ich habe gewisse Informationen über Sven-Erik Cederén.«
    Es ist die Geliebte, dachte Lindell. »Aha«, sagte sie.
    »Er hat sich nicht das Leben genommen.«
    »Wer sind Sie?«
    »Das spielt keine Rolle.«
    »Für mich spielt das eine große Rolle«, erwiderte Lindell.
    »Es spielt keine Rolle«, wiederholte die Frau. »Wichtig ist allein, daß Sie nicht glauben dürfen, Sven-Erik hätte seine Familie überfahren und sich anschließend das Leben genommen. So etwas würde er nie tun.«
    »Sind Sie seine Freundin?« Das Wort klang lächerlich, aber sie brachte das Wort Geliebte einfach nicht über die Lippen.
    »Ich bin eine Freundin der Familie.«
    Man konnte hören, daß die Frau damit ihren Vorrat an Mut und Kraft aufgebraucht hatte. Das Gespräch wurde unterbrochen. Sie hatte aufgelegt.
    Lindell klappte das Handy zusammen. Sie ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Wer war diese Frau? Ich bekomme ein Kind. Edvard. Die Ereignisse lähmten sie. Sie konnte sich nicht bewegen, nicht klar denken, bekam kaum Luft. Sie saß einfach da und hatte nur einen einzigen Wunsch: Edvard nicht zu verlieren.
    Ich sollte Sammy anrufen, dachte sie und beobachtete ihre Hand, die sich unwillkürlich über die glatte Fläche des Schreibtischs bewegte.
    »Zum Teufel«, sagte sie laut. »Und was ist mit dem Kind? Will ich das Kind verlieren?«
    Sie stand auf, ließ sich aber augenblicklich wieder auf den Stuhl fallen. »Bleib ruhig, ruf Sammy an, fahr nach Hause.«
    Der Klang der eigenen Stimme beruhigte sie, und sie setzte ihr Selbstgespräch fort. Sie redete ununterbrochen wie ein sehr verwirrter Mensch, ordnete die Papiere auf dem Schreibtisch,

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