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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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man nur etwas Sinnvolles tun, wenn man selbst sicher und glücklich ist? Und … verliert man seine ganzen Ideale, nur weil man mit dem Schicksal hadert?“
    Julius war sich nicht mehr sicher, ob Lischka ihm die anfängliche Frage nur als Auftakt zu seinen eigenen Reflexionen gestellt hatte. Und es rührte ihn, dass Lischka offensichtlich keinen Gedanken daran verschwendete, durch seine Arbeit dem Kaiser und dem Vaterland zu dienen, wie viele andere Polizeiagenten es taten. Er hätte Rudolph nicht so respektiert und geschätzt, wenn er das gesagt hätte.
    Als hätte der Inspektor seine Gedanken gelesen, sagte er: „Ich bin es leid, diesem Polizeiapparat anzugehören. Langsam kommt es mir so vor, als wäre dieses k. u. k. Sicherheitsamt nichts anderes als ein riesiger müder Wal, der irgendwo angeschwemmt wurde und der versucht, nicht von seinem eigenen Gewicht erdrückt zu werden. All diese unsinnigen Vorschriften, all diese Bürokratie, all das penibel ausgefüllte Papier. Das kommt mir alles so stumpfsinnig vor. Ich kann es kaum noch ertragen.“
    „Du weißt nicht, ob du weitermachen willst?“, fragte Julius.
    „So ist es.“
    „Aber du bist nun mal Polizist. Das ist das Einzige, was du kannst. Wie könntest du den kleinen Ausschnitt deiner Welt denn verändernmit den Mitteln, die du hast?“
    „Wer sagt dir denn, dass ich nicht vorhabe, mich demnächst umzubringen?“, sagte Lischka tonlos.
    „Dann hättest du mir wohl kaum die Tür geöffnet“, entgegnete Julius.
    „Du hast recht. Ich bin schwermütig, wie jedes Jahr an Weihnachten. Verzeih mir. Ich wollte dich nicht belasten. Weißt du, was? Ich denke schon länger daran, nach diesem Fall aufzuhören und etwas ganz anderes zu machen.“
    „Wie meinst du das?“
    „Ich spiele mit dem Gedanken, eine Detektei zu eröffnen. Ich habe so gute Verbindungen zum Sicherheitsamt, so viele Männer, die mir gute Dienste leisten können. Ich hätte ein gutes Standbein in Wien.“
    „Und was kommt dir daran sinnvoller vor?“, fragte Julius.
    „Ich wäre mein eigener Herr.“
    „Und würde dich das zufriedener machen?“
    Lischka kam zurück zum Tisch und spießte mit dem Messer ein Stück kalten Braten auf und steckte es sich genüsslich in den Mund. Er lächelte Julius an. In seinen Augenwinkeln glänzte es feucht.
    „Glaub mir, Julius, jedes Stückchen Freiheit, das ich gewinne, bricht vielleicht dieses unselige Gefängnis auf, in dem ich seit Charlottes Tod eingesperrt bin.“
    Julius nickte. Rudolphs Zukunftspläne nötigten ihm Bewunderung ab. Dass dieser wusste, wie sein Leben weitergehen konnte nach dieser Etappe. Er, Julius, konnte das von sich nicht behaupten. Plötzlich spürte er eine nervöse Unruhe in sich aufsteigen.
    „Warum vertraust du mir das alles an?“, fragte er misstrauisch.
    Doch der Inspektor war wie verwandelt. In seinem Gesicht lag ein erleichtertes Leuchten, als er sagte. „Weil du, mein lieber Julius, mir dabei helfen wirst. Jeder Detektiv braucht einen Assistenten, der die Drecksarbeit für ihn macht!“ Er grinste verschwörerisch wie ein Schuljunge, der mit seinem besten Freund einen Streich ausheckt. „Natürlich nur, wenn du willst. Glaub mir, das mit dem Mörder wird sich bestimmt auflösen. Aber ob wir den Dreck aus dem Kunsthistorischen Museum rausfegen, ist fraglich. Und als Saaldiener will dich da bestimmt niemand mehr haben.“
    Julius sah seinen Freund ungläubig an. „Ist das dein Ernst? Du willst mit mir eine Detektei aufmachen?“
    Der Inspektor zuckte sorglos mit den Schultern. „Du bist der geeignete Partner dafür. Du hast Augen wie ein Raubvogel und das Gedächtnis von einem Elefanten. Beides Qualitäten, die ich zum Beispiel nicht habe. Außerdem bist du unvoreingenommen. Du bist kein kaisertreuer Speichellecker, und ich nehme an, dass du auch nicht allzu große moralische Bedenken hast, ungewöhnliche Wege zu beschreiten, was mir deine Bekanntschaft mit dieser Frau von Schattenbach beweist. Ich kann mir keinen Besseren vorstellen.“
    ***
    Hofrat von Schattenbach freute sich auf Heiligabend wie ein kleiner Junge. Er überlegte, wo er das hübsch verpackte Geschenk für Luise hinlegen sollte. Unter den Zweigen des prachtvoll geschmückten Weihnachtsbaumes oder doch lieber auf ihrem Stuhl an der festlich gedeckten Tafel? Er entschied sich für den Baum und rückte die längliche Schachtel hin und her, dass sie sofort ins Auge sprang. Bei dem Gedanken daran, was zum Vorschein kommen würde, wenn Luise das

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