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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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Geschenk auspackte, überlief ihn ein prickelnder Schauder.
    Ein Paar Stiefel aus feinstem elfenbeinweißen Leder, die er aus Rom geliefert bekommen hatte. An den Seiten schlossen sie mit schwarzen Glasknöpfen, und er hatte sich vorgestellt, wo der Schaft enden würde. Bei Luises Körpergröße mussten ihr diese Stiefel bis über die Knie reichen. Er war so aufgeregt wegen des Geschenks, dass er das Papier am liebsten selbst heruntergerissen und die Stiefel auf allen vieren im Mund in Luises Ankleidezimmer getragen hätte. Er konnte es nicht mehr erwarten – ihren betont kühlen, zweideutigen Blick beim Öffnen der Schachtel, ihren lustvollen Ausdruck im Gesicht, wenn sie langsam das Seidenpapier zurückschlagen und mit einem genießerischen Lächeln die teuren Stücke herausnehmen würde.
    Das Speisezimmer war perfekt vorbereitet für einen festlichen, intimen Abend. Dutzende Kerzen beleuchteten das beste Porzellan und das schwere uralte Tafelsilber. Auf dem Teller des Grammophons drehte sich eine Platte mit Chopin-Walzern, und aus der Küche drang der Duft nach Gänsebraten. Der Hofrat schwitzte in seinem samtenen Gehrock und lauschte angestrengt auf Luises spitze, klackende Schritte auf dem Gang.
    Dann war es endlich so weit.
    Seine Gattin nahte, und Viktor von Schattenbach eilte zur Tür, um ihr zu öffnen. Es verschlug ihm den Atem, als er sie sah. Luise trug das neue brombeerfarbene Seidenkleid, das letzte Woche aus London gekommen war. Das Korsett darunter war so eng geschnürt, dass sich der schimmernde Stoff an ihren Oberkörper schmiegte wie eine zweite Haut. Der schneeweiße Hals ragte aus den ausladenden Flügeln des Kragens. Der Saum des Rockes war vorn etwas kürzer als hinten, und der Hofrat lächelte, als er ihre zarten Füße in den blutroten Lackpantöffelchen sah. Beim Anblick ihrer Knöchel sank er beinahe auf die Knie, doch in diesem Moment öffnete sich die andere Tür zum Speisezimmer, und die Köchin trug gemeinsam mit einem Mädchen das Festmahl auf.
    Als der Hofrat Luise zum Tisch führte, wurde er von ihrem Anblick etwas abgelenkt, denn was sich da vor ihm auftat, war einfach zu verlockend. Es gab goldbraun glänzenden Gänsebraten in einem Bett aus Maronen und Äpfeln. Dazu einen wohlgeformten Laib böhmische Knödel, in Scheiben geschnitten, und duftendes Zimtkraut. Dem Hofrat schwanden fast die Sinne vor lauter Vorfreude und Lust. All diese Schönheit um ihn herum, all diese Genüsse. Er war wirklich ein glücklicher Mann, dass das Leben ihm diese wunderbaren Freuden schenkte. Nun, er hatte auch hart dafür gearbeitet, und an diesem Abend wollte er alle Ärgernisse der letzten Wochen vergessen und einfach nur genießen.
    Die Köchin verabschiedete sich, und das Mädchen, das keine Familie hatte, verschwand in das Dienstbotenstockwerk, wo man nach ihr klingeln konnte. Das arme Ding hatte nichts von diesem Weihnachtsabend, dachte der Hofrat, verscheuchte den Gedanken an die Einsamkeit unter seinem Dach aber schnell wieder.
    Dann begann das Fest. Doch schon nach den ersten Bissen bemerkte er, dass Luise ihr Essen kaum anrührte.
    „Du hast dir wohl das Korsett zu eng geschnürt, meine Liebe“, sagte er schelmisch und zerkaute genießerisch eine perfekt gegarte Marone. In seinem Bauch zog sich etwas erwartungsvoll zusammen. Das war die beginnende Erregung, denn es gab noch ein Ritual, das er und Luise an Heiligabend zelebrierten. Er hielt nichts von der inszenierten Beschaulichkeit dieses Festes, und er konnte nichts Feierliches, Ernstes in diesem Tag sehen. Er glaubte nicht an den Erlöser, sondern nur an den Genuss, den dieser Tag bereithielt. Gutes Essen, Geschenke, langes Aufbleiben und das Gefühl, dass an diesem Tag mehr erlaubt war als sonst. Anstatt um Mitternacht in die Christmette zu gehen und zu beten, würde Luise ihn nachher an einen Stuhl oder vielleicht sogar auf den stabilen Beistelltisch fesseln und ihm ihr neues Weihnachtsgeschenk vorführen. Dann würde sie ihn mit einer schlanken Reitgerte für alle Sünden und Versäumnisse des ganzen Jahres züchtigen wie der weihnachtliche Racheengel, von dem er als Kind geträumt hatte.
    „Soll ich das Korsett ein wenig lockern? Du ahnst ja gar nicht, was du verpasst, mein Schatz. Die Gans ist ein Gedicht!“
    Er lächelte das unergründliche Gesicht an, das ihn da durch die Kerzenflammen ansah. Wollte Luise denn schon jetzt ihre strenge Seite herauskehren? Wollte sie nicht erst noch ein wenig mit ihm essen, plaudern und sich

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