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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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Salmiakpastillen roch, sah er in dem mit Büchern und Papieren vollgestopften Zimmer einen kleinen weißhaarigen Mann, der ihm durch eine Brille mit winzigen, golden umrandeten Gläsern aufmerksam entgegenblickte.
    Doktor Joachim Brucker war klein und spindeldürr. Sein großer Kopf mit den wirren weißen Haaren stand in einem seltsamen Missverhältnis zu seinen Körpermaßen. Er trug einen gepflegten dunklen Anzug und ein blaues seidenes Halstuch. Sein weißer Kittel war achtlos über den Garderobenständer geworfen.
    Der Mann war Psychiater, ermahnte Lischka sich. Er bildet sich wahrscheinlich ein, in dich hineingucken zu können. Er wird jetzt nett und zuvorkommend sein, aber wenn deine Fragen ihm unangenehm sind, schleudert er dir irgendwelche obskuren Erkenntnisse an den Kopf. Lischka war misstrauisch gegen jede Art von Kopfdoktoren im Allgemeinen und gegen diesen Doktor Sigmund Freud im Besonderen, wie die meisten Leute. Er fragte sich, womit diese Zunft sich die Doktorwürde überhaupt verdient hatte, und ärgerte sich über sein eigenes Unbehagen, als die Nonne die Tür hinter ihm schloss.
    „Herr Inspektor Lischka“, begrüßte ihn der Arzt und erhob sich hinter seinem Schreibtisch, um ihm eine trockene, kühle Hand zu reichen. „Sie wurden mir schon angekündigt. Wie kann ich behilflich sein?“ Er wies auf einen Besucherstuhl, und Lischka setzte sich. Der Arzt lächelte ihn freundlich an.
    „Herr Doktor Brucker, ich bin hier, um Sie zu einem ehemaligen Patienten zu befragen. Sie haben sicher von den schrecklichen Morden gehört, die in letzter Zeit geschehen sind.“
    Brucker nickte und runzelte die Brauen. „Haben Sie den Verdacht, dass es sich bei dem Mörder um einen ehemaligen Patienten dieser Anstalt handelt?“, fragte er.
    Lischka räusperte sich und zog eine Fotografie aus seiner Ledermappe.
    „Sagt Ihnen der Name Alois Lanz etwas?“
    Brucker starrte das Bild an und wiegte nachdenklich den Kopf, als könnte er sich nicht recht entsinnen.
    „Der Mann war in den Neunzigern im Brünnlfeld“, erklärte Lischka. „Er wurde aus dem Landesgericht überstellt, nachdem im Gefängnis wahnhafte Phasen bei ihm aufgetreten sind. Er war der Mann, der im Kunsthistorischen Museum randaliert hat.“
    Bruckers Gesicht hellte sich auf. „Aber natürlich!“, sagte er und tippte auf das Bild. „Ist ja ein ziemlich unauffälliger Bursche. Aber warten Sie mal …“ Er nahm die Brille ab und sah Lischka misstrauisch an. „Das kann nicht sein. Alois Lanz ist doch tot! Der Arme … er hat sich das Leben genommen, nachdem er von hier entlassen wurde.“
    Bruckers Stimme nahm einen betrübten Tonfall an, als fühle er sich für Lanz’ Selbstmord persönlich verantwortlich.
    „Das ist uns bereits bekannt“, erwiderte Lischka. „Deswegen bin ich hier.“
    „Aber was hat das zu bedeuten, Inspektor. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen …“
    „Es gibt ein paar Ungereimtheiten“, unterbrach Lischka ihn. „Wir wissen, dass der Mörder sich seinen Opfern als Porträtmaler genähert hat. Er hat in ihrem Auftrag Porträts gemalt und sich als Alois Lanz vorgestellt. Wir haben Visitenkarten bei den Opfern gefunden, die das belegen. Es muss jemand sein, der wusste, dass Lanz ebenfalls Maler war. Meine Vermutung ist, dass es jemand aus der psychiatrischen Anstalt ist, der Lanz in den Jahren seines Aufenthalts hier gut kannte. Fällt Ihnen jemand ein, der in dieses Muster passen könnte?“
    Der Arzt blinzelte Lischka an. „Nun, ich weiß nicht, ob ich Sie recht verstehe.“
    Lischka stöhnte innerlich auf. „Sie sind doch ein logisch denkender Mensch. Ist es denn so abwegig, dass ein anderer, mittlerweile entlassener Insasse aus Brünnlfeld im Namen von Lanz diese Morde begeht?“
    Der Arzt machte ein unglückliches Gesicht.
    „Oder fällt es Ihnen schwer, sich vorzustellen, dass einer Ihrer ehemaligen Patienten zu so etwas fähig ist?“
    Bruckner zuckte zusammen. Dann stand er langsam von seinem Sessel auf und öffnete einen Schrank. Er suchte eine Weile in alphabetisch geordneten Mappen, dann zog er zwei dicke, gebundene Papierstapel hervor und legte sie auf den Tisch. Er blätterte eine Weile darin herum und räusperte sich verlegen. Lischka fühlte die Ungeduld wie einen juckenden Ausschlag.
    Endlich sagte der Arzt: „Nun, mir fällt eigentlich nur eine einzige Person ein, die mit Alois Lanz näher bekannt war.“
    „Name?“
    „Der Mann hieß Ludwig Rohrbach. Er war drei Jahre in dieser Anstalt. Er

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