Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien
war, der da vor ihm stand, banden Lischka die Hände.
Er räusperte sich hilflos „Bittschön, ich suche jemanden“, antwortete er hastig, ohne dass er eine Ahnung hatte, warum.
„Jemanden aus diesem Haus?“, fragte sein Gegenüber.
Ein leichter Duft nach Kaffee ging von ihm aus. Wie seltsam menschlich ihn das macht, dachte Lischka.
„Ja. Er heißt Ludwig Rohrbach.“ Jetzt war es heraus. Und Lischka spann seine Geschichte weiter. „Er ist ein Verwandter von Emilie Rohrbach. Die Dame ist wohl seine Großtante. Sie ist leider verstorben, und im Testament ist Ludwig Rohrbach als einer der Erben genannt. Ich frage mich, ob er derjenige ist, den ich suche.“
Lischka fragte sich, wie Alois Lanz auf diese erfundene Geschichte reagieren würde. War er gierig genug, das angebliche Erbe anzunehmen? Oder war es ihm wichtiger, von sich abzulenken?
„Und wer sind Sie, wenn die Frage gestattet ist?“, fragte der Mann im Hof. Seine Stimme war leise und etwas brüchig, als zerquetschte er unter seiner Zunge eine Eierschale.
„Oh, ich kann mich im Moment leider nicht ausweisen“, sagte Lischka bedauernd. „Ich bin Notariatsgehilfe. Ich wurde beauftragt, die lebenden Verwandten von Emilie Rohrbach in Wien ausfindig zu machen. Mein Name ist Robert Luschek.“
Fast hätte Lischka gelacht über die Kapriolen, die sein Hirn schlug. „Ich habe gelesen, dass hier ein Herr Rohrbach wohnt. Das wird er ja wohl sein“, fuhr er mit hoffnungsvollem Lauern fort. Er versuchte, eine Regung im beschatteten Gesicht seines Gegenübers auszumachen. Der Schrecken und die Lähmung waren einem erwartungsvollen Beben gewichen. Er war so nah dran, und doch wusste er, dass er Alois Lanz heute gehen lassen musste. Er wollte sich nur überzeugen, redete Lischka sich ein. Wollte nur herausfinden, wie der Mann handelte, wie er dachte.
„Ich fürchte, Sie kommen zu spät“, antwortete der Mann. „Ludwig Rohrbach ist mein Nachbar, wissen Sie. Und er ist vor ein paar Tagen verreist. Nach Kroatien. Er tätigt dort irgendwelche Importgeschäfte. Er hat mich gebeten, auf seine Wohnung aufzupassen.“
Lischka unterdrückte ein Lächeln. So machte Lanz es also. Er hielt den ungebetenen Besucher natürlich auf Abstand. „Und wann darf man ihn zurückerwarten?“, fragte er.
„Er hat mir keinen festen Zeitpunkt genannt. Wenn seine Geschäfte abgeschlossen sind, nehme ich an.“
Lischka trat einen Schritt zur Seite und tippte sich an die Hutkrempe. „Dann versuche ich es in zwei Wochen noch einmal. Vielen Dank für die freundliche Hilfe.“
II
Harte Stöße erschütterten Julius, rissen ihn hoch und warfen ihn nieder. Er fühlte sich, als wäre er eine schlaffe Puppe, die von einem ausgelassenen Kind hin und her geschüttelt wurde. Irgendwann begriff Julius, dass die Erschütterungen vom Rumpeln und Holpern einer schlecht gepolsterten Kutsche kamen. Im nächsten Moment bemerkte er, mit welcher Geschwindigkeit das Gefährt durch die Landschaft raste, und glaubte, dass man ihn aus dem Fenster werfen würde. Er würde bei voller Fahrt hinaus stürzen und auf einer hart gefrorenen Ackerscholle den letzten, endgültigen Stoß erleiden, ehe die Dunkelheit ihn wieder an sich riss. Doch das geschah nicht. Vielmehr wurde er von hinten gehalten, sein Kopf hing aus dem Fenster und ein Schwall warmer, übel riechende Flüssigkeit ergoss sich in die Landschaft. Julius hatte sich aus einem Kutschenfenster erbrochen. Die eisige Luft brachte wieder Leben in ihn. Nach dem krampfhaften Würgen empfand er eine kurzzeitige Linderung und spürte, wie sich die Leere in seinem Kopf allmählich mit pochenden Schmerzen füllte. Und er sah Johannas besorgtes Gesicht vor sich.
In diesem Augenblick wurde er wieder in die Kutsche gezogen, wo er unsanft auf der harten Bank landete. Zwei Augen in einem teigigen Gesicht starrten ihn aus der Dunkelheit an.
Das aufgedunsene Gesicht seines Reisegefährten gehörte sicherlich dem Hofrat. Ein gnädiges Stückchen Erinnerung kam zurück.
Das war gar nicht gut, fiel ihm ein. Diese Begegnung mit Schattenbach würde er nicht überleben.
Dann bemerkte er noch eine Person, die in dem irrsinnig rumpelnden Gefährt saß. Links von ihm, das musste Kranzer sein. Sein Nachbar hielt ihn am Arm fest, als würde er im nächsten Moment entwischen wollen.
„Nicht nötig“, murmelte Julius und versuchte seinen Arm zu befreien.
Doch Kranzers Griff war wie eine Eisenklammer.
„Das war sehr dumm von dir, Pawalet!“, Die Stimme kam von
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