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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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des armen Ludwig Rohrbach betrachtet und ihm die Haut vom Rücken abgelöst hatten, bevor er von den Medizinstudenten zerlegt werden durfte. So hatte die Leiche des falschen Alois Lanz sogar noch ihren Zweck für die Wissenschaft erfüllt.
    „Können Sie mir bestätigen, dass dieses Hautstück zu dem Körper gehört hat, der unter dieser Akte geführt wird?“, fragte Lischka.
    Der Arzt las das Aktenkürzel vor und verglich es mit dem Kürzel, das an dem Glaskasten angebracht war. Lischka dachte schaudernd, dass er hier in einer Art Bibliothek war, nur dass hier keine Buchrücken beschriftet und katalogisiert wurden, sondern Leichenteile.
    Der Arzt nickte. „Ja, dieses Stück Rückenhaut gehörte zu dem Körper, der uns unter dem Namen Alois Lanz zur Verfügung gestellt wurde.“ Er sagte das mit routinierter Langeweile, als fragte er sich, warum die Polizei so großes Interesse an seinem schönen Feuermal hatte.
    Lischka bedankte sich und verabschiedete sich rasch. Als er auf der Straße stand, fiel ihm nichts anderes ein, als Lanz für dieses Versteckspiel eine gewisse Achtung zu zollen.
    Wie würde man jetzt weiter vorgehen, als guter Mordermittler? Nun, Lischka konnte mit mehreren Polizeiagenten Rohrbachs Wohnung stürmen und den Mann festnehmen. Aber das war zu riskant. Ein solches Vorgehen gegen Ludwig Rohrbach barg zu viele Gefahren. Was, wenn der Mann bereits Bescheid wusste, dass man ihm auf der Spur war? Die Möglichkeit, dass er flüchtete, wuchs mit jedem Tag.
    Inspektor Lischka nahm sich einen Fiaker, der ihn zurück zum Schottenring brachte. Während der Fahrt dachte er daran, dass er Ermittlungen führte, die er eigentlich gar nicht führen durfte. Zugleich fragte er sich mit boshafter Genugtuung, warum Leutnant Tscherba nicht schon längst auf dieselbe Spur gestoßen war. Er empfand eine Art trotzigen Triumph bei dem Gedanken, dass er derjenige war, der den Bildermörder zur Strecke bringen würde. Dann wäre es nicht mehr von Bedeutung, dass er auf eigene Faust und ohne Genehmigung gehandelt hatte.
    ***
    Als Lischka ins Präsidium kam, legte sein Assistent Schindl ihm einen Bericht auf den Tisch mit den Worten: „Da ist schon wieder so ein Jud’ in seinem Juwelierladen abgestochen worden, drüben in der Leopoldstadt. Du sollst dir das mal anschauen.“
    Lischkas Ungeduld, die in den letzten Tagen eine Art eigene, losgelöste Lebensform angenommen hatte und sich in seinen Eingeweiden krümmte wie eine wütende Katze machte sich bereit, aus seiner Haut zu fahren und Schindl an die Kehle zu springen. Wie kam der Mann dazu, ihn mit so etwas zu behelligen? Mit einem ganz gewöhnlichen Mord, wahrscheinlich aus Habgier, wie es alle Tage vorkam, vor allem in den ärmeren Gegenden der Stadt. Doch etwas ließ ihn innehalten.
    „Sagtest du in der Leopoldstadt? Ein jüdischer Juwelier? Wie ist der Name?“
    Schindl nickte gelangweilt. „Der Mann heißt Efraim Efrussi, 59 Jahre alt. Die Sache ist schon ein paar Tage her. Der ist mindestens schon seit Heiligabend tot. Glatter Schnitt durch die Kehle. Ist lustig, gell? Einen Juden an Weihnachten zu ermorden …“
    Er stieß ein staubtrockenes, blödes Lachen aus, das Lischka wieder in Erinnerung rief, was für ein tumber Trottel sein Assistent doch war.
    „Und es ist nicht mal was gestohlen worden“, fuhr Schindl fort. „Aber in dem Drecksloch gab’s auch nichts zu holen außer Blech und Glasperlen. Ein armseliger Laden ist das, sag ich Ihnen …“
    „Halten Sie das Maul, Schindl!“, fuhr Lischka den Polizeiassistenten an. „Geben Sie mir die Adresse, ich fahre da sofort hin. Ohne Sie!“
    ***
    Die Kleine Mohrengasse war voller Schaulustiger, die in das Schaufenster des Juwelierladens spähten. Armselig gekleidete Menschen in falschen Pelzen und mit Wollmützen starrten stumm auf die offene Tür zu Efrussis bescheidenem Geschäft.
    Durch die schmutzigen Fenster erkannte Lischka zwei Mitglieder der Rettungsgesellschaft und einen der polizeilichen Leichenbeschauer, die gerade einen Körper auf die Bahre hoben. Am Ende der Gasse wartete bereits der Leichenfiaker.
    Das war der Ort, den Julius ihm vor ein paar Tagen beschrieben hatte. Das Geschäft, in dem anscheinend ein Armreif auslag, der zu dem Schmuck passte, den Luise von Schattenbach bei ihrem verwirrenden kleinen Schauspiel getragen hatte.
    Inspektor Lischka schob sich an den Schaulustigen vorbei und betrat den Laden. Trotz der frischen Winterluft, die von draußen hereinströmte, herrschte

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