Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien
Ich wollte unbedingt wissen, wie die Bilder meines Freundes aus Prag aus dem Kunsthistorischen Museum bei einer Privatauktion auftauchen konnten. Und so habe ich von Gustav Kinsky erfahren. Er war damals Stellvertretender Direktor des Belvedere und war von der Akademie der schönen Künste als zukünftiger Direktor vorgeschlagen worden. Durch das Auktionshaus habe ich erfahren, dass Kinsky wenige Tage vor der Auktion unter dem Siegel der Verschwiegenheit die Bilder dort abgeliefert und darum gebeten hatte, sie unter den Nachlass des verstorbenen Mannes zu mischen, der in den nächsten Tagen versteigert werden sollte. Er wollte anonym bleiben und hat mit dem Auktionshaus vereinbart, dass er das Geld für die Bilder – wenn sie einen Besitzer fanden – nachträglich ausgehändigt bekommen sollte. Die Verantwortlichen kamen seiner Bitte um Anonymität natürlich nicht nach.“
„Das muss ja ein überaus seriöses Auktionshaus gewesen sein!“, stieß Julius hervor.
Der Hofrat lächelte.
„In der Tat. Aber für mich hatte es sich als Glücksgriff erwiesen. Ich kam zu Kinsky und stellte ihn zur Rede. Du musst wissen, dass unser Museumsdirektor ein schwacher Mensch ist. Er ist sofort eingeknickt und hat mich angefleht, ich solle ihn beim Kaiser nicht verraten. Ich als Hofrat muss dem Kaiser gegenüber natürlich loyal sein, auch wenn ich dazu schon seit Jahren keine Veranlassung mehr sehe. Dieser Mann wird Europa eines Tages ins Unglück stürzen. Nun, und so hat sich mir eine Möglichkeit geboten, das Beste aus dieser Sache zu machen.“
Das genüssliche Schmunzeln floss über Schattenbachs Gesicht wie geschmolzene Butter.
„Sie haben ihn erpresst“, stellte Julius fest.
„Nun, es wäre mir lieber, wenn man es anders nennt. Ich habe Kinsky ein Angebot gemacht, dem er nicht widerstehen konnte. Was glaubst du wohl, wie viel Geld ich für die Medusa bekomme? Ich werde es dir sagen. Ich bekomme dafür einen fünfstelligen Betrag, was so viel ist, dass ich es unmöglich allein ausgeben kann. In New York gibt es genug reiche Männer, für die dieser Betrag nur Kleingeld ist. Bei einem dieser Männer habe ich eine Menge Schulden, weil ich mich einmal an der Börse verspekuliert habe, aber das ist lange her.“ Er zuckte unbekümmert die Schultern. „Von dem Geld, das übrig bleibt, wird Grimminger fürstlich entlohnt und natürlich auch Kinsky und Kranzer und der loyale Delaunie. Und auch dein Vater hat damals sehr gut an unserer kleinen Übereinkunft verdient. Jeder, der davon weiß und der schweigt, bekommt seinen Anteil. Verstehst du das Angebot, das ich dir machen will?“
Julius starrte den Hofrat fassungslos an. „Sie bieten mir an, in Ihrer Fälscherbande mitzumachen?“
Schattenbach nickte knapp. „Sonst wäre ich tatsächlich gezwungen, dich Kranzer zu überlassen.“
Julius hätte am liebsten ausgespuckt, um seine Verachtung zu zeigen. Doch dann besann er sich auf die wichtigste Frage, die immer noch in ihm brannte. „Und was haben Sie mit meinem Vater gemacht?“
Der Blick des Hofrats schweifte in die Ferne, als erinnerte er sich an eine lang zurückliegende Geschichte. „Joseph hatte Glück, dass wir überhaupt auf ihn aufmerksam geworden sind. Du wirst sicher verstehen, dass diese Sache nach allen Seiten abgesichert werden musste. Wir brauchten vor allem loyale Leute, die in einer Art Abhängigkeitsverhältnis standen. Männer, die mir oder Kinsky so dankbar waren, dass man sich ihrer Zuverlässigkeit auf ewig sicher sein konnte. Dein Vater war so ein Mensch. Während das Kunsthistorische Museum gebaut wurde, habe ich ihn als Aufpasser für Kinsky und Grimminger eingesetzt. Außerdem hat er die damalige Fälscherwerkstatt bewacht und mich zu wichtigen … nun, sagen wir mal, Treffen, begleitet.“
„Sie haben ihn zu Ihrem Schergen gemacht“, stieß Julius hervor.
„Wenn du es so nennen willst. Dein Vater selbst hätte nie etwas auf die Beine stellen können. Er war selbst Maler, hast du das gewusst? Aber kein sehr guter, wenn ich das sagen darf. Eines Tages ist er wohl in Wut geraten, oder vielleicht hatte er auch so etwas wie ein Gewissen. Jedenfalls hat er mich im Suff auf offener Straße angegriffen und versucht, mich zu ermorden.“
Der Hofrat zuckte bedauernd die Schultern. „Mittlerweile glaube ich, dass Joseph ein anständiger Künstler geworden wäre, wenn sein Leben eine andere Richtung genommen hätte. Er hat die Kunst geliebt. Und ich habe ihm erlaubt, in einem ihrer Tempel zu
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