Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien
alles erzählt. Die echte Medusa befindet sich auf dem Weg nach New York, und deswegen war ich sicher, dass diese hier die Kopie ist.“
Sein Herz raste, und seine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung.
„Das kann jeder behaupten“, meinte Tscherba. „Das müssen Sie uns erst einmal beweisen.“
„Aber Schattenbach ist in dieser Nacht überstürzt aufgebrochen. Wenn Sie veranlasst hätten, ihn zu verfolgen, wüssten Sie, was er im Schilde führt!“
„Warum sollte ich einen unbescholtenen Mann verfolgen, nur weil Sie es sagen, Pawalet?“ Tscherba lächelte spitz.
„Warum sollte der Schattenbach sich an den Bildern bereichern?“, fragte nun auch der Kaiser, und der Tonfall beider Männer machte deutlich, wie absonderlich sie diese Vorstellung fanden.
„Warum sollte die Erde eine Kugel sein!“, fauchte Julius in Richtung des Leutnants. „Es ist so, ich habe es mit eigenen Ohren gehört!”
Julius wusste, dass er mit seinen Vorwürfen auch den Kaiser angriff.
„Junger Mann, nun beruhigen Sie sich doch!“, sagte Franz Joseph. „Wir haben in Bezug auf dieses Museum größere Schwierigkeiten zu bewältigen, als einen vermeintlichen Fälscher zu finden. Sie wissen, dass eine schreckliche Mordserie dieses Haus erschüttert. Und Leutnant Tscherba muss sich in erster Linie darum kümmern.“
„Dann kann er das ab heute auch in aller Ruhe tun!“, ertönte plötzlich Inspektor Lischkas Stimme von der Tür her.
Julius fuhr herum. Zuerst glaubte er, die verschwitzte, atemlose Gestalt seines Freundes dort sei nur ein Produkt seiner Fantasie, seines sehnlichsten Wunsches. Doch er irrte sich nicht. Rudolph Lischka lehnte sich abgekämpft und mit schmutzigem Jackett gegen den Türrahmen und deutete eine Verbeugung vor dem Kaiser an. Hinter ihm erschienen zwei Gendarmen und balancierten einen Gegenstand zwischen sich. Lischka bedeutete ihnen, ihn abzusetzen. Julius traute seinen Augen nicht. Plötzlich war es, als wäre diese schlichte Holzkiste das Schönste, was es auf der Welt gab.
„Sie!“, empörte sich Leutnant Tscherba. „Falls Sie glauben, Sie könnten hier als Polizist auftreten …“
„Das weiß ich!“, unterbrach Lischka ihn. „Ich weiß, dass ich entlassen bin. Danke, dass Sie mich daran erinnern. Machen Sie jetzt bitte trotzdem diese Kiste auf?“
„Das ist sie!“, rief Julius. „Diese Kiste hat der Hofrat nachts vom Museum abgeholt!“
„Was ist da drin?“, fragte Tscherba und näherte sich der Kiste, als wäre sie ein bosnischer Anarchist, den er erschießen musste.
„Das wissen Sie nicht?“, fragte Lischka belustigt. Dann wandte er sich an Julius und zwinkerte ihm zu. „Hast du es ihnen nicht gesagt?“
Blauenstein trat neben den Leutnant und reichte ihm wortlos ein Papiermesser vom Tisch. Gemeinsam durchtrennten sie die Schnüre und lösten das metallene Siegel an der Seite der Kiste. Behutsam hoben sie den Deckel ab.
Julius hielt den Atem an. Nach einer ganzen Lage Holzwolle und etlichen Lagen Schutzpapier kam endlich der Inhalt zum Vorschein. Blauenstein legte das Bild auf den Tisch.
Die Umstehenden schienen aufgehört haben zu atmen. Eine Weile betrachteten die Anwesenden andächtig oder hingerissen das unerhörte Genie des toten Kopisten. Die Fälschung war perfekt. Es gab keinen augenfälligen Unterschied zwischen dieser und der echten Medusa .
Sogar der Kaiser starrte bewundernd auf das Gemälde.
Blauenstein war der Erste, der pragmatisch handelte. Er sagte: „Das Bild riecht stark nach Öl.“ Dann drückte er einen Fingernagel in eine Ecke der Leinwand. „Und die Farbe gibt nach.“
„Das Ergebnis würde genauso ausfallen, wenn das Bild frisch restauriert worden wäre“, murmelte Julius. „Dann hätte man es problemlos austauschen können.“
„Man hat es aber nicht ausgetauscht!“, rief Blauenstein nun ungeduldig. „Sie haben sich offenbar geirrt, Pawalet. Aber damit ist die Sache noch nicht erledigt. Tatsache ist, dass in diesem Museum Gemälde gefälscht wurden und verschifft werden sollten. Und das ist so ungeheuerlich und schändlich, dass es schon genügt …“ Der Direktor des Belvedere war so aufgebracht, dass er mit dem Zeigefinger fast die Fälschung durchbohrte, als wolle er sie anklagen. Dann drehte er die Leinwand um und hielt sie gegen das Licht.
„Abgesehen davon hatten Sie recht, Pawalet. Sehen Sie hier? Man erkennt deutlich den Abdruck eines kleineren Keilrahmens.“
„Und was passiert nun?“, fragte Tscherba verwirrt.
Der
Weitere Kostenlose Bücher