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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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neu!“, warf Julius ein. Ihm dämmerte langsam, dass manche Restaurationsverfahren wahrscheinlich die Spuren eines Fälschers zuverlässig verwischen konnten.
    Blauenstein nickte lächelnd. „Sie wären ein guter Kunstdetektiv, Pawalet, das muss ich sagen, Es stimmt. Wenn Otto Grimminger die Leinwand doubliert hat, kann man nicht mehr feststellen, ob der eigentliche Malgrund neu ist oder alt. Die Leinwände zur Zeit von Rubens wurden nicht maschinell gewebt und sehen sehr unregelmäßig aus. Diese Spur führt also nicht weiter. Und natürlich sehen wir hier somit auch keine Abdrücke eines kleineren Spannrahmens.“
    Julius’ Schultern fielen herab. Er hatte überhaupt keine Ahnung, wie man an diesem Gemälde feststellen konnte, ob es eine Fälschung war. Leander Blauenstein legte das Gemälde wieder mit der Bildseite nach oben auf den Tisch und beugte sich darüber. Dann winkte er Julius und bedeutete ihm, es ihm gleichzutun.
    „Nehmen Sie eine Lupe, Herr Pawalet“, forderte er ihn auf.
    Und dann sah sich Julius wieder in derselben Situation wie vor ein paar Wochen – durch das Lupenglas die Alterungsrisse auf der Farboberfläche studierend.
    Während Blauenstein schnüffelte und das Bild auf seine eigene Weise untersuchte, machte Julius eine erschreckende Entdeckung. Die Krakelüre war genauso wie die, die er sich eingeprägt hatte. Ihm wurde klar, dass er die Landkarte jener Risse, die er vor kurzem so eingehend studiert hatte, genau wiedererkannte.
    Das Bild vor ihm auf dem Tisch war das Original.
    Eine plötzliche Schwäche überkam ihn, und er musste sich an der Tischkante festhalten. Wenn diese Medusa aber echt war, welches Gemälde hatte dann der Hofrat transportiert?
    „Es versteht sich wohl von selbst, dass dieses Gemälde keine Fälschung ist, oder, Herr Pawalet?“, sagte Blauenstein.
    Julius nickte dumpf.
    „Was soll der Unsinn?“, zischte Leutnant Tscherba und drängte sich zu dem Tisch durch.
    „Wo bleibt denn Direktor Kinsky?“, murmelte der Kaiser. Dann knurrte sein Magen vernehmlich, und die Männer in den schwarzen Anzügen wurden unruhig.
    „Meine Herren“, verkündete der Mann, der die Depesche vorgelesen hat, „ich nehme an, diese Angelegenheit ist hiermit erledigt.“
    „Moment noch“, sagte Blauenstein und hob die Hände.
    „Herr Pawalet, wie stellen Sie sich das Ganze vor? Haben Sie gedacht, Kinsky und Grimminger und der Hofrat veräußern Originale aus diesem Haus und lassen stattdessen Fälschungen aufhängen? Wie kommen Sie denn auf so einen ungeheuerlichen Gedanken?“
    Blauenstein sah ihn jetzt mitleidig und mahnend an. Julius wünschte sich, augenblicklich im Erdboden zu verschwinden. Ihm drehte sich der Kopf. Er war überzeugt gewesen, dass das Gemälde, das hier unten lag, eine Fälschung sein musste. Noch dazu eine frische, die man sofort erkennen konnte.
    In diesem Augenblick schlug irgendwo in den Tiefen des Museums eine Tür zu. Ein lauter, hohler Knall hallte durch die Gänge.
    „Ah, das wird der Kinsky sein!“, sagte Blauenstein. „Er ist bestimmt erleichtert, dass die Vorwürfe haltlos sind … also wirklich! Was Sie betrifft, mein lieber Pawalet … ich fürchte, man wird Sie zurück ins Gefängnis bringen müssen.“
    Blauensteins Stimme klang bedauernd. „Leider konnte Ihre Anwesenheit nicht wirklich zur Klärung dieser Angelegenheit beitragen. Und das alles ist ja auch völlig unabhängig von diesem Mord, nicht wahr?“
    Tscherbas Hand tastete nach Julius’ Schulter.
    „Das Einzige, was ich an diesem Museum Seltsames finden kann, sind die Personalentscheidungen. Die sollten vielleicht einmal untersucht werden.“
    Der Kaiser nickte, und sein Magen knurrte erneut.
    Julius wäre am liebsten vor den Versammelten zu Boden gesunken. Er fühlte sich auf einmal so schwach, als wäre er erst vor einer Stunde aus dem Bett aufgestanden, in dem Johanna ihn vor Wochen gesund gepflegt hatte. Jetzt würde es wahrscheinlich Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis jemand herausfand, was der Hofrat getrieben hatte. Und selbst das würde ihn nicht von der Mordanklage befreien.
    Doch mit einem Mal wurde er wieder hellwach.
    „Moment noch!“, rief er und schaute zum Kaiser hinüber, der gerade seine Fingernägel betrachtete. „Der Hofrat selbst hat mir vor zwei Tagen verraten, dass er die Gemälde durch Fälschungen ersetzt! Er hat mich gefragt, ob ich bei seiner Organisation mitarbeiten will. Nur deswegen hat er mich überhaupt als Saaldiener eingestellt. Er hat mir

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