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Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien

Titel: Das Sterben der Bilder: Ein unheimlicher Roman aus dem alten Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Hasler
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hier, wo Sie mich doch gerade so huldvoll freigesprochen haben?“
    Lischka lachte. „Ja, ein kleiner Bücherdieb scheint mir tatsächlich nicht in der Lage, so etwas … Aber lassen wir das. Erzählen Sie mir etwas über Ihren Vater.“
    „Und was, wenn ich keine Lust dazu habe? Für einen Toten hat mir der Alte entschieden zu viel Einfluss auf mein Leben.“
    „Da sind Sie nicht der Einzige.“ Lischka stieß eine riesige Tür auf, und sie betraten das Polizeigebäude. In der Eingangshalle bat er Julius, hinter einer hölzernen Absperrung zu warten. Da öffnete sich eine Tür an der Seite der Halle, und ein Polizeiagent in einer blauen Uniform und mit Pickelhaube stürmte auf Lischka zu.
    „Herr Inspektor!“, rief er und hatte Mühe, Haltung anzunehmen vor Aufregung.
    „Was gibt’s denn so Schlimmes, Schindl?“, wollte Lischka wissen und betrachtete den rotgesichtigen Agenten von oben herab.
    „Wir haben schon überall nach Ihnen gesucht, Inspektor Lischka!“, rief der andere. „Ein scheußlicher Mord am Spittelberg. Männliche Leiche … Die Kollegen sind schon dort und …“
    „Schindl!“, schrie Lischka ihn da an und stieß ihn mit der flachen Hand heftig vor die Brust. „Halten Sie sofort den Mund! Da steht ein Zivilist!“ Er zeigte auf Pawalet. „Wie kommen Sie dazu, vor unbeteiligten, nicht internen Personen über so etwas zu reden? Und selbst wenn der Kronprinz persönlich ermordet worden wär – Sie haben darüber den Mund zu halten! Trompeten Sie’s der Presse doch auch gleich aus, Sie Dilettant!“
    Der andere zog den Kopf ein und murmelte eine Entschuldigung. Lischka wandte sich ab, sah Julius an und sagte: „Pawalet, ich bedauere das sehr. Ich hab Sie wahrscheinlich ganz umsonst hierhergeschleppt. Wie Sie sehen, muss ich hier weg und mich um einen scheußlichen Mord kümmern. Seien Sie so gut und halten Sie wenigstens den Mund darüber, wenn er es schon nicht kann.“

VI
    Hofrat von Schattenbach wusste, dass er das Reich seiner Frau niemals betreten durfte. Kein anderer Mann seiner Stellung in Wien hätte seiner Ehefrau ein derartiges Maß an Geheimnissen erlaubt. Aber kein anderer Mann in Wien hatte Luise zur Gattin. Sie war keine von den Frauen, die man an der kurzen Leine hielt und mit kostspieligen Vergnügungen bei Laune hielt. Sie legte keinen Wert darauf, in einem prachtvollen Gespann durch den Prater zu fahren, um sich hinterher über die Hüte ihrer Standesgenossinnen lustig zu machen. Luise konnte man nicht zufriedenstellen, indem man sie mit Torten und Gebäck fütterte und ihr gestattete, auf Bälle zu gehen. Das alles waren Dinge, über die der Hofrat schon lange nicht mehr in ihrer Gegenwart sprach. Deren Banalität machte Luise wütend. Nein, seine Gattin war anders, und der Hofrat dachte stets mit einem kleinen schmerzhaften Zittern an sie.
    Er musste nicht befürchten, dass Luise sich ihm dann verweigern würde. Ach, die Banalität dieser Sache war schon lange nichts mehr, worum sie sich kümmerte. Der Hofrat war nämlich ein Freund langer und ausgiebiger Bankette, und die Folgen der reichhaltigen Wiener Küche waren schon seit Jahren eine große Freude für die Schneider, die ihm seine Garderobe jedes Jahr weiter machen oder neu anfertigen mussten. Luise hatte ihm zu Beginn ihrer Ehe offenbart, dass sie nichts so sehr verabscheute wie einen runden, hängenden Bauch. Sie hatte ihn vor die Wahl gestellt: entweder die Freuden des Gaumens oder jene, die sie für ihn bereithielt. Doch im Laufe der Zeit hatte der Hofrat herausgefunden, dass es neben den Dingen des Schlafzimmers noch etwas viel Exquisiteres gab, das Luise ihm bieten konnte. Etwas, wobei sein massiger Ranzen nicht störte. Und so hatte er die biegsame Frau in den Laken eingetauscht gegen eine köstliche Distanz, die ihn weit mehr erregte und ihm gleichzeitig erlaubte, so viel zu schlemmen, wie er nur wollte. Luise hatte das Interesse an dem Körperteil, das von seinen Fettmassen verborgen wurde, längst verloren. Manchmal befahl sie ihm, eine Hure aufzusuchen. Und der Hofrat tat es, nur um in den feuchten Armen einer gespielten Lust an den kühlen Blick seiner Gebieterin zu denken.
    Er dachte mit diesem ängstlichen Flattern in der Brust an ihre harten, kleinen Hände, die ihn schlugen, und an ihre körperlos hallende Stimme, wenn sie ihm befahl, zu quieken wie ein Schwein. Er erinnerte sich an die wochenlang sichtbaren blauen Flecke und Striemen auf seinem Gesäß, nachdem sie ihn mit einem Rohrstock

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