Das sterbende Tier
berechnen ein paar hundert Dollar, manche ein paar tausend, und ich weiß von einer auf die Vermittlung von, wie es heißt, »hochklassigen Partnern« spezialisierten Agentur, die über einen Zeitraum von zwei Jahren bis zu fünfundzwanzig Begegnungen arrangiert, allerdings für nicht weniger als einundzwanzigtausend Dollar. Ich dachte, ich hätte mich verhört, aber nein, es stimmte: Das Honorar beträgt einundzwanzigtausend Dollar. Tja, es ist schwer für Frauen, sich auf solche Transaktionen einzulassen, nur um einen Mann zu finden, der sie heiratet und Kinder zeugt; kein Wunder, daß sie spätabends bei ihrem alten Exprofessor auftauchen, um mit ihm auf dem Sofa zu sitzen und zu reden und manchmal, in ihrer Einsamkeit, auch über Nacht zu bleiben. Kürzlich war eine hier, die versuchte, darüber hinwegzukommen, daß sie bei einer ersten Verabredung mit einem Mann, den sie als »Extremurlaubstypen« beschrieb, als einen »Superabenteurer, der auf Löwenjagden und Surfen an gefährlichen Stranden steht«, mitten im Essen sitzengelassen worden war. »Es ist ein rauhes Leben, David«, sagte sie. »Weil es noch nicht mal Verabredungen sind, sondern bloß Versuche, sich zu verabreden. Ich habe mich stoisch damit abgefunden, daß ich eine Agentur bezahlen muß«, sagte sie, »aber nicht mal das funktioniert.«
Elena, die gutherzige Elena Hrabovsky, vorzeitig ergraut, vielleicht wegen der Agentur.
Ich sagte zu ihr: »Es muß eine riesige Belastung für dich sein - die Fremden, die Gesprächspausen, selbst die Unterhaltungen«, und sie fragte mich: »Glaubst du, wenn jemand so erfolgreich ist wie ich, muß das so sein?« Elena ist Augenärztin, müssen Sie wissen, und hat sich mit enormer Energie und innerer Kraft aus kleinsten Verhältnissen emporgearbeitet. »Das Leben stellt einen vor Rätsel«, sagte sie, »und man wird sehr mißtrauisch und sagt schließlich: Ach, was soll's? Es ist jammerschade, aber irgendwann verläßt einen die Kraft. Einige von diesen Männern sind attraktiver als der Durchschnitt. Gebildet. Die meisten haben ein gutes Einkommen. Aber ich fühle mich zu diesen Typen nie hingezogen. Warum ist es mit ihnen so langweilig? Vielleicht ist es langweilig, weil ich langweilig bin«, sagte sie. »Sie holen einen mit schicken Wagen ab. BMWs. Unterwegs klassische Musik. Sie führen einen in hübsche kleine Restaurants aus, und die meiste Zeit sitze ich da und denke: Bitte, lieber Gott, laß mich nach Hause gehen. Ich will Kinder, ich will eine Familie, ich will ein Zuhause«, sagte Elena, »aber obwohl ich emotional und körperlich imstande bin, sechs, sieben, acht Stunden im OP zu stehen, bin ich nicht mehr imstande, diese Erniedrigung zu ertragen. Manche Männer finden mich wenigstens beeindruckend.« »Warum auch nicht? Du bist Netzhautspezialistin. Du bist Augenchirurgin. Du bewahrst die Leute davor, blind zu werden.« »Ich weiß. Ich spreche von unverhohlener Zurückweisung«, sagte sie. »Ich bin für so was nicht geschaffen.« »Wer ist das schon«, antwortete ich, aber das schien sie nicht zu trösten. »Ich hab's wirklich versucht, oder, David?« sagte sie, und in ihren Augen standen Tränen. »Neunzehn Verabredungen.« »Mein Gott«, sagte ich, »du hast dir nichts vorzuwerfen.«
In dieser Nacht war Elena in einem schlimmen Zustand. Sie blieb bis zum Morgengrauen und eilte dann zum Krankenhaus, um sich auf die erste Operation vorzubereiten. Keiner von uns schlief sehr viel, denn ich hielt ihr einen Vortrag über die Notwendigkeit, die Vorstellung von einer festen partnerschaftlichen Verbindung aufzugeben, und sie hörte mir zu wie die eifrige, ernsthafte, sorgfältig mitschreibende Studentin, die sie gewesen war, als wir uns in meinem Seminar zum erstenmal begegnet waren. Ob ich ihr damit helfen konnte, weiß ich allerdings nicht. Elena ist intelligent und unerhört tüchtig, aber bei ihr entspringt der Wunsch nach einem Kind der ganz normalen Gedankenlosigkeit. Ja, diese Vorstellung weckt den Fortpflanzungstrieb, und genau das ist so mitleiderregend. Dennoch ist sie eine Folge der ganz normalen Gedankenlosigkeit: Man macht einfach den nächsten Schritt. Es ist so primitiv für eine Frau, die es derart weit gebracht hat. Doch so hat sie sich das Leben als Erwachsene immer vorgestellt, schon vor langer, langer Zeit, bevor sie erwachsen war, bevor die Erkrankungen der Netzhaut zur beherrschenden Leidenschaft wurden.
Was ich zu ihr gesagt habe? Warum fragen Sie? Brauchen Sie ebenfalls einen
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