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Das sterbende Tier

Das sterbende Tier

Titel: Das sterbende Tier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Roth
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Dinger, die du vielleicht schon mal gesehen hast, die mit dem Pendel, an dem ein kleines Gewicht befestigt ist. Die Zahlen stehen hier. Es sind dieselben Zahlen wie auf dem Pendel«, und wenn sie näher tritt, um die Skala zu betrachten, schwingen ihre Brüste nach vorn, und eine verschließt meinen Mund und unterbricht für einen Augenblick die Belehrung - die Belehrung, die bei Consuela meine größte Stärke ist. Meine einzige Stärke.
    »Es sind die üblichen Werte«, sage ich. »Wenn man sechzig einstellt, macht es einen Schlag pro Sekunde. Ja, wie der Herzschlag. Laß mich deinen Herzschlag mit der Zungenspitze spüren.« Sie läßt es zu, wie sie alles, was zwischen uns geschieht, zuläßt - ohne Kommentar, beinahe als wäre sie unbeteiligt. Ich sage: »Bevor das Metronom - das alte Metronom - um 1812 erfunden wurde, gab es in den Noten keine genauen Tempoangaben. In den allgemeinen Abhandlungen über Tempi schlug man vor, den Pulsschlag als Maßzahl für ein bestimmtes Allegro zu nehmen. Man sagte: ›Miß den Puls und orientiere dich mit deinem Tempo daran.‹ Laß mich deinen Puls mit der Spitze meines Schwanzes messen. Setz dich auf meinen Schwanz, Consuela, und laß uns in diesem Tempo spielen. Oh, das ist kein schnelles Allegro, oder? Nein, ganz und gar nicht. Es gibt kein einziges Stück von Mozart mit Metronomangaben, und weißt du auch, warum? Du erinnerst dich: Als Mozart starb...« Aber hier habe ich meinen Orgasmus, die phantasierte Unterrichtsstunde ist beendet, und ich bin momentan nicht mehr krank vor Begehren. Ist das nicht von Yeats? »Verzehr mein Herz; krank vor Begehren und / Gefesselt an das sterbende Tier / Weiß es nicht, was es ist.« Yeats. Ja. »Gefangen in der sinnlichen Musik«, und so weiter.
Ich spielte Beethoven und masturbierte.
    Ich spielte Mozart und masturbierte. Ich spielte Haydn, Schumann, Schubert und masturbierte mit ihrem Bild vor meinem inneren Auge. Weil ich ihre Brüste nicht vergessen konnte, ihre vollen Brüste, die Brustwarzen, die Art, wie sie ihre Brüste an meinen Schwanz drückte und ihn damit liebkoste. Noch ein Detail. Ein letztes Detail, und dann höre ich damit auf. Ich werde ein bißchen technisch, aber das hier ist wichtig. Das war das gewisse Etwas, das Consuela zu einem Meisterwerk der volupté machte: Sie ist eine der wenigen Frauen, die ich kenne, bei der sich die Vulva beim Orgasmus nach außen stülpt, sich ohne willentliches Zutun vorschiebt wie das weiche, formlose, aufquellende Fleisch einer zweischaligen Muschel. Beim erstenmal war ich völlig überrascht. Man spürt es, und es ist, als gehörte diese Vulva zu einer Fauna aus einer anderen Welt, als wäre sie etwas, das im Meer zu Hause ist. Als wäre sie verwandt mit einer Auster oder einem Oktopus oder einem Tintenfisch, als wäre sie ein Wesen, das tief im Ozean lebt und äonenalt ist. Normalerweise sieht man die Schamlippen und kann sie mit der Hand öffnen, doch in ihrem Fall war es, als blühten sie auf, und die Möse trat von ganz allein aus ihrem Versteck hervor. Die inneren Schamlippen wölben sich nach außen und schwellen an, und diese feuchte, seidenweiche Schwellung ist sehr erregend - es ist erregend, sie zu berühren, und es ist erregend, sie anzusehen. Das ekstatisch enthüllte Geheimnis. Schiele hätte alles dafür gegeben, es malen zu können. Picasso hätte es in eine Gitarre verwandelt.
    Wenn man ihr beim Orgasmus zusah, hatte man beinahe selbst einen. Wenn es soweit war, verdrehte sie die Augen. Sie verdrehte die Augen, so daß man nur noch das Weiße sah, und auch das war ein erregender Anblick. Alles an ihr war ein erregender Anblick. Ganz gleich, wie sehr meine Eifersucht mich aufbrachte, ganz gleich, wie groß die Erniedrigung und die endlose Ungewißheit war - ich war immer stolz, sie zum Orgasmus gebracht zu haben. Manchmal macht man sich gar keine Gedanken darüber, ob die Frau kommt oder nicht: Es passiert einfach, die Frau scheint sich selbst darum zu kümmern, und man ist nicht dafür verantwortlich. Bei anderen Frauen ist das kein Thema; die Situation sorgt schon dafür, die Erregung ist groß genug, und der Orgasmus steht nie in Frage. Doch bei Consuela - ja, da war eindeutig ich dafür verantwortlich, und es war immer, immer etwas, auf das ich stolz sein konnte.
     
Ich habe einen lächerlichen zweiundvierzigjährigen Sohn
    - lächerlich, weil er wirklich mein Sohn ist, eingesperrt in seine Ehe wegen meiner Flucht aus meiner Ehe, wegen der Bedeutung, die diese

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