Das Sternenprogramm
gefährlicher.
Man konnte nie wissen, wann eine solche nach innen gewandte
Feindseligkeit zu einem verzweifelten Ausbruch führte.
Für die Gemeinschaft und für ihn selbst wäre es
besser, wenn Jordan aus Beulah City fortginge.
Für seine Seele wäre es besser. Er zeigte bereits
die sprichwörtlichen zwei Gesichter – wie er sie
angeschaut hatte, als er sich vom Monitor abwandte! Für
einen kurzen Moment hatte er die Maske fallen lassen, und zwar
als er den Schwarzen Planer erwähnt hatte…
Du meine Güte, dachte sie. Hektisch verriegelte
sie die Tür, öffnete mittels Geheimzahl eine
Schreibtischschublade und nahm die VR-Brille heraus. Sie setzte
sie auf und loggte sich ins Sicherheitsnetz ein. Das Gefühl
zu tauchen, zu schwimmen und sich wie ein Hai zu bewegen, war
umso erregender, als dies ein seltenes, gefährliches
Privileg darstellte, und das galt auch für sie. Ein rascher
Blick in Jordans Arbeitsfile ergab eine merkwürdige
Verzögerung bei einer Überweisung – sieh mal
einer an! Sie studierte die Spuren, auf verschlungene logische
Verästelungen verteilte Fragmente von Zugriffscodes, die
ohne den passenden Schlüssel nicht nachweisbar waren. Sie
senkte nach assoziativen Kriterien Schwellen ab, ließ
Ahnungen zu Gewissheiten erhärten; dann setzte sie die
mittlerweile geradezu paranoiden Detektionsprotokolle frei und
zog das Tempo an, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Die
Protokolle führten sie zu einer Site des Schwarzen Plans,
die vor wenigen Sekunden geräumt worden war. Nachdem sie die
Strukturen registriert hatte, sprangen die Protokolle von einer
Schlussfolgerung zur nächsten, bis sie sich an einen
zweifellos kriminellen Penetrationsvirus hefteten. Sie folgte
seinem Kielwasser, so weit sie sich traute, weit genug, um die
Bestätigung dafür zu erlangen, dass die Absichten des
Schwarzen Plans nur noch wenige Implikationen entfernt waren. Sie
löste sich und traf auf ein paramilitärisches Gebilde;
zwischen seinen und ihren Routinen fand ein kurzer, feindseliger
Austausch statt, der viel zu schnell ablief, als dass sie ihm
hätte folgen können. Das Gebilde wandte sich von ihr ab
und setzte sich seinerseits auf die Fährte des
Penetrationsvirus. Mrs. Lawson begab sich über einen
sicheren Weg zum Ausgangspunkt zurück und loggte sich aus.
Ihr war ein wenig schwindelig.
Ach, Jordan, Jordan. Du bist ein dummer Junge. Du wirst eins
aufs Dach kriegen, und ich ebenfalls, weil ich es geschehen
ließ.
Es sei denn…
Es sei denn…
Eine Weile gab sie sich Gewissensbissen hin, dann machte sie
sich daran, die Realität zu löschen, zu revidieren und
zu bearbeiten. Als sie zufrieden war, lehnte sie sich zurück
und nahm ein Telefon zur Hand.
Das System stürzte immer wieder ab. Der Nachmittag
verstrich im Arbeitsfieber, untermalt vom Schrillen des Alarms.
Melody Lawson kämpfte gegen das aufsteigende Gefühl von
Panik an, während sie nach und nach zu der Überzeugung
gelangte, dass in den Netzwerken tatsächlich etwas Neues am
Werk war, wenn nicht der Uhrmacher persönlich, dann eine
bösartige künstliche Intelligenz von bislang
unbekannter Komplexität. Sie war sich nicht sicher, ob
andere, die ebenso verlässlich und erfahren waren wie sie,
das ähnlich sehen würden.
Einen Menschen gab es vielleicht. Oder zwei.
Allerhöchstens zwei.
Sie wartete, bis die Tagschicht gegangen war, dann rief sie zu
Hause an und sagte Bescheid, dass sie noch länger arbeiten
werde. Anschließend überprüfte sie wiederholt die
Sicherheit ihres Büros und ihrer Rechnersysteme.
Währenddessen wandte sie den Gedächtnistrick an –
eine Ziffer in diese Ecke, die nächste auf jenes Regal
–, welcher eine Zahl rekonstruierte, die zu notieren oder
sich auch nur bewusst zu machen sie niemals gewagt hätte.
Sie benötigte die Zahl, um ihre geheimste und
fragwürdigste Kontaktperson anzurufen.
Die Frage, die sie die ganze Zeit quälte, die ihr
ständig durch den Kopf ging und sie verwirrte, lautete: Wozu
braucht die ANR so viel Seide?
3
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Hardware Plattform Interface
Verraten.
Cat lag im Bett, betrachtete die LCD-Anzeigen auf ihrem
Plastikverband, schaute zu, wie die Zahlen ineinander
übergingen und sich ihre Finger krümmten und wieder
entspannten. Auf Grund des Schmerzmittels fühlte sie sich
distanziert und losgelöst, als wäre ihr Zorn eine
dunkle Wolke, in die sie hinein- und aus der sie wieder
herausschwebte. Als Kohn
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