Das Sternenprogramm
mit niemandem
auseinander setzen, der dich eines Besseren belehren könnte!
Du willst bloß deinen eigenen Weg gehen und deinen
fleischlichen Begierden frönen. Dieser atheistische Dreck
ist nichts weiter als eine klägliche Ausrede. Wenn du dich
darauf verlässt, wirst du Gott eines Tages mit einer
Lüge in deiner Rechten entgegentreten.«
Jordan hatte das Gefühl, er habe Eis geschluckt.
»Als ob ich deren Argumente nicht schon alle kennen
würde!« Er atmete tief durch. »Ja, ich werde sie
anhören. Ich werde mich mit deinen christlichen Denkern
auseinander setzen, aber außerhalb der Reichweite der
Waffen, die sie in ihrer Rechten tragen.«
»Dass ich nicht lache! Niemand bedroht dich mit einer
Waffe.«
Jordan schnallte den Rucksack zu. Er bemerkte ein Buch auf dem
Boden, das er bislang übersehen hatte, und hob es auf. Ein
weiterer Band aus der ›Bibliothek der großen
Denker‹: Die Geschichte der modernen Philosophie von A. W. Benn. Er lächelte vor sich hin, dann setzte er
eine nichtssagende Miene auf und straffte den Rücken.
»Wie halten eure Ältesten denn Gedanken, Menschen
und Bücher fern? Mit Wachposten und Gewehren! Hier gibt es
weder freie Forschung noch Redefreiheit.«
Sein Vater überging die Entgegnung und fragte
stattdessen: »Wo gedenkst du deine kostbare Freiheit
eigentlich zu finden? In irgendeiner schmutzigen
Kommunistenenklave? Eine schöne Freiheit wirst du dort
vorfinden!«
»Wahrscheinlich hast du Recht«, meinte Jordan und
dachte: Kommunisten? »Daher gehe ich ja auch nach
Norlonto.«
Die Röte wich aus dem Gesicht seines Vaters. Seine Mutter
sank stöhnend aufs Bett zurück. Sie murmelte etwas
über die Städte der Armen des Geistes ins Kissen.
»Du willst von Beulah nach Babylon wechseln? Dann ist
dir nicht mehr zu helfen.« Sein Vater musterte ihn
verächtlich. »Nur zu! Es wird nicht lange dauern, dann
kommst du mit eingekniffenem Schwanz wieder zurückgekrochen.
Du hast nicht mal einen Pass.«
»Doch, hab ich«, sagte Jordan. Er tätschelte
die Seitentasche, betastete den Pass, der sich anfühlte wie
ein Buch. »Den Pass zur Freiheit. Und Geld.«
»Dann bist du nicht nur ein Renegat, sondern auch ein
Dieb.«
»Das Geld habe ich nicht gestohlen…«,
setzte Jordan an, dann hielt er inne.
Jetzt erst wurde ihm das ganze Ausmaß seines Handelns
bewusst. Bis jetzt hatte er im Hinblick auf das Geld nach vorne
geschaut, nicht zurück. Im Grunde lief es darauf hinaus,
dass er sich vom größten Feind der Gemeinschaft, des
Staates, der die Gemeinschaft schützte, und des
Bündnisses, das den Staat schützte, hatte bezahlen
lassen. Und seine Eltern wussten es entweder oder ahnten es.
Deshalb hatte ihm sein Vater das Schimpfwort Kommunist ins
Gesicht geschleudert! Mrs. Lawson hatte anscheinend etwas
über seine illegalen Aktivitäten herausgefunden und
seinem Vater gegenüber eine schwerwiegende Andeutung
gemacht. Ränke schmiedende Christenhexe.
»Glaub, was du willst«, sagte er.
Er schulterte den Rucksack und machte mit der vagen Absicht,
ihnen die Hand zu geben oder sie zu küssen, einen Schritt
auf seine Eltern zu – lächerlich, einfach
lächerlich. Sie zuckten vor ihm zurück, als hätten
sie Angst vor ihm. Jordan wandte sich um, winkte ihnen aus einer
plötzlichen Eingebung heraus lächelnd zu, trat durch
die Tür und sperrte sie hinter sich ab. Sie werden nicht
lange brauchen, um sich zu befreien, dachte er, als er erst die
Leitertreppe, dann die Treppe hinunterstieg. Aber vielleicht ja
lange genug. Auf der Straße wandte er sich nach links und
rannte hügelabwärts.
Viel früher, als seine Eltern sich hätten
träumen lassen, verfluchte er jedes einzelne subversive,
atheistische Buch in seinem Rucksack. Es dauerte nur etwa zehn
Minuten, und er eilte gerade über die Park Road. Der
Rucksack hatte ein bequemes Tragegestell, das weder am
Rücken noch an den Schultern drückte, doch das Gewicht
allein trieb ihm den Schweiß aus allen Poren. Er kam an
gepflegten Wohnhäusern und Geschäften vorbei –
Feinkostläden, Boutiquen, Werkstätten. Gleichwohl war
dies der ein wenig verrufene Stadtrand von Beulah City, eine
Gegend, in der wichtige, aber im Grunde unzuverlässige
Menschen lebten: inspirierte Künstler, systemkonforme
Drehbuchautoren, züchtige Modedesigner, konservative
Soziologen… sie alle erachteten es als notwendig, sich an
der Grenze zu versammeln und hin und wieder sogar diskrete
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