Das Sternenprogramm
oder
Ausrüstungsgegenstände hinausschleppten oder sich
bewaffneten oder gerade im Aufbruch begriffen waren. Er sah eine
Frau, die Tarnfarbe anlegte wie Make-up und Waffen wie
Accessoires auswählte, ihm und sich selbst in einem
Wandspiegel zulächelte und dann hinausging. Er sah einen
müden, schmutzigen Mann, der sich Speck briet. Der Mann sah
ihn ebenfalls und brachte ihm ein Brötchen und eine
große Tasse schwarzen Kaffee. Jordan nahm alles dankbar
entgegen, und als er gegessen und getrunken hatte, wickelte er
sich in die Decken und zog Klamotten und ein Handtuch aus seinem
Rucksack hervor.
»Bad?«
»Auf dem Flur die zweite links.«
Er trat durch eine angelehnte Tür und gelangte in einen
Raum voller Dampf, der allerdings nicht so dicht war, dass er die
beiden Frauen und den kleinen Jungen in der Badewanne und den
nackten Mann, der auf der Toilette Zeitung las, übersehen
hätte. Beinahe hätte er sich wieder zurückgezogen,
dann fiel ihm ein, dass er hierher gekommen war, um ein
vernünftiges Leben zu führen.
Den Duschvorhang zog er nur deshalb vor, damit es nicht so
spritzte.
Als er wieder in den Gemeinschaftsraum kam, saßen Moh
und Janis am Tisch, aßen Müsli und lasen nebenbei
Zeitungen. Janis riss sie aus dem Drucker, sobald sie fertig
waren, und reichte sie an Kohn weiter. Kohn hielt ständig
eine in der Hand; neben Janis lag ein wachsender Stapel.
Wenn er die Zeitungen tatsächlich las, dann war er
verdammt schnell.
Jordan setzte sich zu ihnen.
»Was gibt’s Neues?«
Janis schaute ihn an.
»Oh, guten Morgen. Lass dich von Moh nicht stören.
Manchmal überkommt es ihn eben. So wie jetzt«, setzte
sie dunkel hinzu. Sie steckte Moh einen Ausdruck in die
ausgestreckte Hand. »Nichts Neues – halt das
Übliche. Überall sind Russland und die Türkei das
Thema. Die Londoner Sun-Times bringt an zweiter Stelle den
Schlag der Yanks gegen die Vorstädte von Kyoto – mit
Lasern und Präzisionswaffen. Die Nihon Keizai Shimbun wiederum meldet den Verlust eines Armeekonvois in Iverness-shire.
Die Lhasa Rimbao betet um Frieden. Keine
Überraschungen.«
»Ich will Überraschungen«, sagte Moh, den
Mund voller Müsli. »Zackzack.«
Im nächsten Moment wurde er wieder ernst. »Wie
fühlst du dich heute?« Er knüllte einen Ausdruck
zusammen und warf ihn in einen Papierkorb an der Wand.
»Gut. Das heißt, es wird mir gleich besser gehen.
Vielleicht wenn ich noch einen Kaffee getrunken habe…
Weißt du, ich glaube, Hasch verwandelt das Gehirn doch in
Schweizer Käse.«
»Nee, das kommt vom Alkohol«, erwiderte Kohn.
»Das ist bewiesen. An Rattenhirnen und so.« Er
grinste Janis an, die gar nicht bemerkt hatte, dass er etwa ein
Dutzend Papierbällchen ohne hinzusehen im Papierkorb
versenkt hatte. »Jedenfalls ist es an der Zeit, dich ins
Bild zu setzen, Jordan.« Er blickte zu einer mit Notizen
und Pfeilen bekritzelten Merktafel hinüber. »Der
Medienraum ist frei. Lass uns dort miteinander reden.«
»Das ist ja eine tolle Geschichte«, sagte Jordan,
als Kohn geendet hatte. Moh und Janis blickten ihn hoffnungsvoll
an, wie Kunden. »Klingt wie eine Message von serdar
argic.« (Er hatte sich den Netz-Jargon unbewusst
angeeignet; mit dem Ausdruck bezeichnete man die tiefste Schicht
paranoiden Gefasels, die das Kabel verpestete, verbreitet von
degenerierten, fehlerdurchsetzten Autopostprogrammen.
Datenmüll.) Er blickte auf die Werkbank nieder, kratzte an
einer Lötzinnkugel. »Aber ich glaube sie.« Er
lachte. »Ja, ich glaube euch.«
»Wirst du es schaffen?«
Sie wollten, dass er für sie hackte, dass er Spuren
zurückverfolgte, für sie das Netz auskundschaftete. Er
brannte darauf loszulegen, war sich aber nicht sicher, ob seine
Kenntnisse dazu ausreichen würden.
»Klar«, sagte er.
»Also gut«, meinte Moh. »Du kriegst es
bestimmt raus.«
»Und was steht heute an?«, fragte Janis. Sie klang
gereizt.
»Bernstein finden«, antwortete Moh.
»Bernstein!«, sagte Jordan. »Den
Buchhändler?«
Moh nickte und wandte sich grinsend an Janis. »Ich
hab’s dir ja gesagt«, meinte er. »Bernstein
kennt jeder.«
»Ich hab seine Telefonnummer«, sagte Jordan.
»Irgendwo.« Er überlegte angestrengt, dann
stürzte er in den Gemeinschaftsraum und kam mit einem
kleinen Buch zurück, das er sich in die Jackentasche
gesteckt hatte. Er blätterte bis zu dem purpurfarbenen
Ladenstempel auf dem beigefügten Lesezeichen vor. Das Buch
klappte
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