Das Sternenprogramm
runter.«
Kohn nickte. »So ist es.« Er hielt Ausschau nach
Rekrutierungsmaterial. »Also, ein paar von uns wollen etwas
dagegen unternehmen. Ein paar von uns glauben an den Weltraum, an
die Zukunft. Ich will dir mal was sagen, mein Junge.
Normalerweise kostet das zehn Mark, aber ich sehe, du bist scharf
drauf, also mache ich dir einen Sonderpreis, sagen wir acht
fünfzig, und für weitere eins zwanzig lege ich noch
einen Mitgliedsausweis und ein Abzeichen drauf… Hier hast
du einen Stift.«
Er riss den Kontrollabschnitt ab, vergewisserte sich, dass der
Junge Name und Adresse eingetragen hatte.
»Danke… Greg.« Kohn reichte ihm die Hand.
Der Junge, der sich den blauen Emaillestern bereits ans Revers
geheftet hatte, blickte grinsend auf und schüttelte Kohn die
Hand.
»Bis demnächst, Kumpel.« Sie klopften sich
gegenseitig auf die Schulter. Der Junge schleppte das T-Shirt wie
eine Trophäe weg.
»So macht man das«, wandte Kohn sich an das
Mädchen. Er legte den Kontrollabschnitt sorgfältig in
die leere Rekrutierungsschachtel. »Eble vi farus
same.« Ihr Gesicht war noch immer leer: ihr Esperanto
war offenbar ebenso aufgesetzt wie ihre
Die-Schwerkraft-zieht-mich- runter-Lässigkeit.
Ein Arm zwängte sich zwischen seinen Ellbogen und seine
Seite.
»Du machst schon wieder neue Bekanntschaften?«
Janis’ Stimme klang trocken, belustigt.
»Du weißt ja, wie das ist«, meinte Kohn und
drehte sich um. »All diese schönen jungen
Körper.«
»Ha!«
Janis runzelte die Stirn, unvermittelt ernst geworden.
»Bei dieser Veranstaltung kriege ich eine
Gänsehaut«, sagte sie. »Nostalgie,
militaristischer Kitsch und Geschichtsklitterung: das ist alles
eine einzige Lüge – es sind keine Millionen gestorben,
die Soldaten waren Helden und wurden bloß von den
Politikern getäuscht, man ist ihnen in den Rücken
gefallen… igitt! Das sind doch nicht etwa deine
Leute, oder?«
»Nein, mein Schatz, das sind sie nicht.« Er hatte
das Gefühl, die Sonne sei vorübergehend hinter eine
Wolke verschwunden. Dann dachte er wieder an den Burschen mit den
leuchtenden Augen. »Aber ein paar von denen stehen auf
unserer Seite, auch wenn sie es selbst nicht wissen. Das sind
wirklich engagierte technologische Expansionisten, die hassen die
Grünen und die Yanks. Ein paar von denen sind wirklich vernünftig.«
Janis zuckte seufzend die Achseln. »Schon
möglich.«
Jordan kam zurück und brachte jede Menge Literatur und
eine soeben erstandene gebrauchte Lederjacke mit. »Ich
kann’s immer noch nicht glauben«, sagte er.
»Redefreiheit, klar, aber man kann’s auch
übertreiben.« Er klappte die Brille herunter.
»Der Stau löst sich auf«, setzte er hinzu.
»Die ANR kriegt offenbar heftig Dresche
deswegen.«
Als Jordan sich über den Stand beugte, erwachte das
Mädchen aus seiner Weltraumpose und machte Anstalten, ihre
Waren an den Mann zu bringen. Nötig gewesen wäre es
nicht: ganz von selbst stapelte er Missionsabzeichen, Poster von
der NASA und der Tass, T-Shirts mit Abbildungen des
Raketenpioniers Korolew, Gagarins, Titows und Valentina
Tereschkowas, außerdem noch einen Mitgliedsausweis der
Weltraumbewegung und einen Stern.
Auch diesmal wieder legte Kohn den Kontrollabschnitt in die
Schachtel, vergewisserte sich aber, dass Jordan nicht seine
Adresse angegeben hatte. Seit einer halben Stunde quälten
ihn die Düfte der Grillbuden.
»Lasst uns was essen, bevor das Gedränge
losgeht«, sagte er. »Da drüben wäre es
günstig – von dort aus können wir den Stand im
Auge behalten.«
»Ich bin dabei«, meinte Janis. Jordan, der seine
Motorradjacke mit Emaille-Shuttles und -Sternen dekoriert hatte,
richtete sich auf; mittlerweile hatte er schon weniger
Ähnlichkeit mit einem Flüchtling aus Beulah City,
wenngleich seine brillenmaskierte Coolness noch ein wenig
aufgesetzt wirkte. Er nickte Moh zu.
Sie drängten sich durch die alternden Veteranen, die
Afghanistankämpfer und Angolanos und die harten Jungs mit
ihren Hammer-und-Sichel-Abzeichen und den roten Sternen (mit
einem Tüpfelchen Blau, wie Moh Janis erklärte, die
skeptisch lächelte). Sie kamen an Postern vorbei, auf denen
Lenin, Stalin, Mao und Castro, Honecker und Ceaucescu und all die
anderen abgebildet waren, und traten auf zerknüllte
Flugblätter mit Überschriften wie ›Der
Große Sprung – neu bewertet‹ und
›Kroatien: Die Killing Fields des Westens‹. Moh
führte sie zu einem
Weitere Kostenlose Bücher