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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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in einer anderen Gesellschaft als Planungsnotstand
bezeichnet hätte. Wenn man wollte, konnte man es als dem
Königreich zugehörig betrachten, wenngleich der Staat
bislang nicht das geringste Interesse daran gezeigt hatte. Das
ganze Gebiet war wahllos besiedelt worden, und jetzt ähnelte
es einem von einer Ameisenkolonie in Besitz genommenen Leichnam
oder einem korallenüberkrusteten Schiffswrack.
    Sie drängten sich an Buden und Läden vorbei, die
Mikrowellengeräte, gusseiserne Kochtöpfe, leichte
Maschinengewehre, Heavy-Metal-Aufnahmen, Raumanzüge,
Hochzeitskleider, Holodisks, Ölgemälde, Afro-Snacks zum
Mitnehmen und VR-Snuff-Videos feilboten. Von den konzentrischen
Ringen drangen sie über die Radialwege bis zum Zentrum vor.
Bernstein hatte sein Lager an einem ausgetrockneten Springbrunnen
aufgeschlagen, in vierzig Metern Höhe von einem Oberlicht
überspannt, dessen bunte Verglasung zum Teil zerbrochen
war.
    Der Versammlungsort war verlassen. Ein mageres Mädchen
hinter dem Tisch der Weltraumbewegung im angrenzenden Quadranten,
das kaum mehr als einen Werkzeuggurt am Leibe trug, tat so, als
lümmelte es sich unter Schwerelosigkeit.
    »Bernstein gesehen?«, fragte Moh.
    Sie fasste sich an den Ohrhörer und schüttelte
träge den Kopf. »Hab’s weitergereicht«,
sagte sie. »Wenn er nicht drangeht, ist das sein cagreno, jes?«
    Moh sah auf die Uhr. 11.30. Es sah Bernstein gar nicht
ähnlich, den Verkauf stundenlang zu vernachlässigen. Er
wandte sich an Jordan. »Tut sich was?«
    Jordan setzte umständlich die Brille auf und regelte den
Downlink ein. »Da kannst du einen drauf lassen«,
sagte er. »Bombenalarm auf der Camden High Street. Das
Gebiet wurde abgeriegelt. Der Verkehr ist
zusammengebrochen.«
    »Oh, Scheiße. Also, das könnte die
Erklärung sein.« Moh blickte sich um, als wollte er
Bernstein zum Auftauchen zwingen. Es funktionierte nicht.
    »Ich warte hier, für den Fall, dass er noch
auftaucht«, sagte er. »Wollt ihr euch ein bisschen
umsehen?«
    Jordan musterte den Versammlungstrakt der Mall, den Treffpunkt
der Revisionisten. »Klar«, meinte er. »Das ist
einfach unglaublich.« Janis lächelte, zuckte die
Achseln und deutete mit einem Nicken in die Richtung der
umliegenden Märkte. Sie entfernten sich auf
unterschiedlichen Kreisbahnen.
    Moh blieb am Stand der Bewegung stehen und beobachtete die
alten Soldaten, deren Uniformen und Medaillen sich mit den
Straßenkämpfermonturen der jungen Enthusiasten
mischten. Kampfstandarten hingen ehrfurchtgebietend über dem
Gebiet, das sie vorübergehend eingenommen hatten. Vorgeblich
eine Konferenz dissidenter Historiker, trat der Charakter einer
politischen Veranstaltung immer deutlicher hervor. Selbst einige
der Intellektuellen, die an ihrer Uniform aus Jeans und
Tweedjacketts zu erkennen waren, wandten die Augen von den noch
finsterer dreinblickenden Gesichtern auf den indiskret zur Schau
gestellten Plakaten ab.
    »Hey, Mann!«
    Der Stand hatte einen Kunden, einen Halbwüchsigen, der
ein T-Shirt in Polyethylenverpackung in die Hand nahm und es
begutachtete. Offenbar war er ein Neo, ein Heldenverehrer, einer
von denen, die nach der Niederlage groß geworden waren und
sich in pubertärer Rebellion denen zugewandt hatten, die als
die bad guys verschrien waren. Die einfach nicht glaubten,
dass diese Leute wirklich so schlimm seien, und ihre
Identität und ihren Stolz aus der Identifikation mit den
einschüchternden Kerlen bezogen, die einmal die vielleicht
radikalste Bedrohung dargestellt hatten, mit der die Welt sich
jemals konfrontiert sah… während sie gleichzeitig
eine Gesellschaft aufgebaut hatten, die an die konservativen
Werte Ordnung, Disziplin und Patriotismus appellierte, welche die
meisten Leute wie die Isotopen in der Muttermilch aufnahmen.
    »Der Mann, der die Raketen entwickelt
hat…«, flüsterte der junge Bursche. Kurz
geschorenes Haar, Europawehr-Kampfjacke, zerschlissene Jeans,
Kniestiefel; Narben im lächelnden Gesicht und einen ganz
schwachen feuchten Schimmer in den Augen. Das Mädchen hinter
dem Stand erwiderte ausdruckslos seinen Blick.
    »Es ist schön, jemanden zu treffen, der ihr Erbe
kennt«, sagte Kohn. »Die meisten Leute wissen nicht
mal mehr, wer das war.« Die nachlässige
Standbetreuerin schloss er in seinen Tadel ein.
    »Tja, also, die haben uns in der Zange,
stimmt’s?«, sagte der Bursche. »Die Yanks
drücken uns runter, die Grünen ziehen uns

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