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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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auf der Titelseite auf.
    »Verdammt noch mal«, fluchte er zum ersten Mal in
seinem Leben. »Seht euch das an.«
    Er reckte ihnen das Buch entgegen: die alte Photogravüre
einer männlichen Statue, bekleidet mit einem Kapuzengewand
oder einer Kutte, die Hände ausgebreitet, die Augen schwach
leuchtende Flecken.
    Kohn schaute verwirrt drein. »Wer ist das?«
    Jordan riss die Augen auf und schüttelte den Kopf.
    »Giordano Bruno. Er wurde im Jahr 1600 auf dem
Scheiterhaufen verbrannt, weil er unter anderem erklärt
hatte, die Planeten seien bewohnt. Der erste Märtyrer der
Weltraumbewegung.« Er stieß ein hohles,
widerhallendes Gelächter aus. »Eben bin ich drauf
gekommen, wie sein Name auf englisch lauten würde.
›Jordan Brown‹!«
    Abermals blickte er das Bild an, ein seltsames Gefühl im
Nacken. Moh klopfte ihm auf die Schulter.
    »Bernsteins Art, hallo zu sagen, Jordan«, meinte
er. »Also ruf ihn schon an.«
    Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich kein Avatar, sondern
ein blechern klingendes Tonband. »Hallo«, sagte
jemand schwerfällig. »Danke für Ihren Anruf.
Solly Bernstein ist gerade außer Haus, aber Sie finden
ihn…« – eine Pause, ein Knacken –
»im Brent Cross Shopping Centre. Dort ist er meistens.
Halten Sie Ausschau nach der Revisionisten-Kundgebung.«
    Moh weigerte sich zu erklären, was daran so komisch
war.
     
    Sie fuhren mit der Einschienenbahn nach Norden. Moh hatte
darauf bestanden, für den Fall, dass sie nicht wieder
zurückkämen, etwas Ausrüstung mitzunehmen. Er
hatte ein paar Rucksäcke mit dem Aufdruck der JDF unter
einer Bank hervorgezogen, sie im Handumdrehen gepackt, sich mit
Jordan anschließend in eine Unterhaltung über den
Haushaltsrechner vertieft und ihn über den Dienstturnus
informiert.
    Janis hatte ihren Rucksack, dessen von der Sonne beschienener
solarbetriebener Muskelrahmen willkürliche Bewegungen
vollführte, merkwürdig gemustert.
    »Also das«, wandte sie sich kummervoll an die Welt
im Allgemeinen, »nenne ich eine Make-up-Tasche.«
    Jetzt saß die Tasche wie ein kleines Tier mit dicken
Backentaschen auf ihrem Schoß; das Geflacker der Masten
hatte die Fototropik in heillose Verwirrung gestürzt. Janis
saß unmittelbar am Fenster. Sie vermochte den Blick nicht
davon loszureißen.
    »Ich habe gewusst, dass es ihn gibt«, sagte sie.
»Es ist bloß…«
    »Ja, nicht wahr?« Moh saß grinsend ihr
gegenüber, das Gewehr zwischen die Beine geklemmt.
    Der Grüngürtel. Er breitete sich zu beiden Seiten
aus, bis zum Horizont. Ein neues London mit Baracken und
Wolkenkratzern, mit Straßen, Fabriken, Atomkraftwerken; der
Himmel wimmelte von Flugzeugen, Zeppelinen, Luftfahrzeugen
– ein Chaos, das sich vor Janis’ Augen in
Komplexität auflöste, in ein Muster kleiner
Unterschiede, wie wenn man Felder aus großer Höhe
betrachtete. Sie blickte durch Mohs Fernglas, das sie langsam
schwenkte, ganz vertieft in die sich endlos vertiefenden
Einzelheiten des Ganzen. Ein Satz von Darwin fiel ihr ein: Es
ist reizvoll, ein bewachsenes Flussufer zu
betrachten…
    »Das ist eine Art Ökosystem«, meinte sie
schließlich.
    »Das ist das eigentliche Norlonto«, sagte Moh.
»Sein Kern, bloß dass er nicht im Zentrum liegt. Der
tonangebende Rand.«
    »Schade, dass er nicht ganz drum herum
reicht.«
    Sie dachte an das, was im Westen jenseits von Uxbridge lag.
Ödland bis nach Wales, eine Feuerschneise zwischen jener
unauslöschlichen Feindseligkeit und London. Viele Leute
würden insgeheim einräumen, dass ihnen die
anrückenden Waliser lieber gewesen wären als der stete
Zustrom von Saboteuren aus dem neuen Grenzland.
    »Oder ganz bis ins Zentrum«, warf Jordan ein.
    »Ja, die Bewegung hat bloß ein Stück vom
Kuchen. Aber schaut euch bloß mal an, was sie daraus
gemacht hat!«
    »Du scheinst stolz darauf zu sein.« Janis
vermochte Mohs Begeisterung für Norlonto mit seinem
zähen Beharren darauf, dass er eine Art Sozialist sei, nicht
in Einklang zu bringen.
    »Wir wollen mehr erreichen, es besser machen. Und nicht
wieder einen Schritt zurück tun.«
    Nach einer Weile gab sie es auf, aus ihm schlau werden zu
wollen.
     
    Die Mall war während des Kriegs getroffen und auf Grund
einer obskuren Auseinandersetzung um Eigentumsrechte nicht wieder
aufgebaut worden. Da Norlonto vor allem ein riesiges
Durcheinander privater Eigentumsrechte war, hatten das
Einkaufszentrum und seine Umgebung unter dem zu leiden gehabt,
was man

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