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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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unerfahren waren.
    »Keine Ahnung«, sagte er. »Aber wir sollten
nicht solange warten, bis wir mehr wissen. Seht ihr die
Polizisten dort drüben? Könnte eine bloße
Machtdemonstration sein, aber diese jungen
Burschen…«
    Die erste Flasche zerschellte mit einem Klirren.
    »Ich hab’s gewusst«, sagte er. »Diese
Kerle denken mit den Eiern. Los, Leute. Wir haben zwei Minuten,
dann ist hier…«
    Etwas kam über die Mauer geflogen, auf der sie eben noch
gesessen hatten. Lange Fäden einer klebrigen Substanz
senkten sich auf eine Gruppe unbekümmerter Neos herab, die
sogleich vergeblich versuchten, das Zeug abzuwischen.
    Kohn packte Janis beim Arm, und beide rannten los. Als er sich
kurz darauf umschaute, sah er Jordan, der benommen langsam
zurückwich und wie auf einem Bahnsteig winkte: Auf
Wiedersehen, auf Wiedersehen.
     
    Sonnenhut und Rucksack umklammernd, folgte Janis Moh durch
einen obskuren Ausgang der Mall in einen nach Urin und
Desinfektionsmittel stinkenden gekachelten Tunnel, der von
flackernden Neonröhren erhellt wurde. Schließlich
gelangten sie in eine Halle, wo ein Mann mit Schirmmütze an
einer massiven Schranke stand. An den Wänden Plakate,
mittlerweile vergilbt, vormals aber leuchtend bunt; dazwischen
feuchte, Blasen werfende und abblätternde Farbe. Ein
weiterer Uniformierter blickte teilnahmslos hinter einer
Drahtglasscheibe hervor. Moh ging hinüber und schob ein paar
kleine Münzen durch den Schlitz unter der Scheibe. Nach
reiflicher Überlegung rückte der Mann zwei Fahrkarten
heraus.
    Moh reichte eine davon Janis, ging vor ihr her und schob das
Ticket in einen Schlitz an der Schranke. Mit einem pfeifenden,
saugenden Geräusch öffnete sich die Schranke –
bestehend aus zwei gepolsterten, in Hüfthöhe
angebrachten Klauen –, und Moh trat hindurch. Im
nächsten Moment klappten die Klauen auch schon wieder zu,
mit einem Ächzen, als fühlten sie sich um die Beute
geprellt. Moh drehte sich um und nahm das Ticket an sich, das der
Apparat wieder ausgestoßen hatte.
    Janis schritt mit geschlossenen Augen hindurch, dann stieg sie
eine mit Plastiktüten, leeren Getränkedosen und Laub
bedeckte bröcklige Betontreppe hoch, die auf einen
betonierten Bahnsteig führte: ausgekippte Abfallkörbe,
Einkaufswagen und verdorrte kleine Bäume. Vom Rand des
Bahnsteigs aus sah man etwa zehn Meter in beide Richtungen
Eisenbahnschienen, die im Unkraut verschwanden. Zumindest
glänzten sie und waren nicht verrostet.
    »Wo sind wir hier?«, fragte Janis.
    Moh blickte sie an. »Das ist die U-Bahn«,
antwortete er.
    »Die U-Bahn? Funktioniert die denn
noch?«
    »Gelegentlich«, sagte Moh und musterte
misstrauisch die Schienenstränge. »Die Hauptsache ist,
dass die Polizei hier nicht hin kann, ohne sich eine Menge
Ärger einzuhandeln. Wir haben eine Grenze
überquert.«
    »Und wo sind wir jetzt?« Auf den zweiten Blick
bemerkte sie auf dem Bahnsteig etwa ein Dutzend überwiegend
ältere Personen, die den Eindruck machten, als warteten sie
schon lange.
    Moh seufzte. »Eine Faktion der Republik hat das
Restaurationsabkommen akzeptiert, und das haben sie dafür
bekommen. Den kümmerlichen Rest des öffentlichen
Sektors. Sie werden sogar vom Königreich subventioniert.
Aber es ist ein Freistaat aus eigenem Recht.« Er grinste.
»Eine Art Reformistan.«
    »Hoffentlich ist mit Jordan alles in Ordnung«,
sagte Janis. Von der Mall drangen das Klirren von Glas, Schreie
und das Knallen explodierender Tränengasgranaten
herüber. In weiterer Ferne stieg der schwarze Qualm
brennender Reifen in den Himmel über dem Slum.
    »Dem wird schon nichts passiert sein«, meinte Moh.
Er blickte zu einem sich rasch nähernden Luftschiff
hinüber. »Bernstein hat mehr Fluchtwege vergessen, als
die Polizei jemals kennen wird.«
    »Weshalb sind sie überhaupt hier
aufgetaucht?«
    »Nun, die Hannoveraner sind ziemlich empfindlich wegen
der Vergangenheit«, antwortete Moh. »Im Moment aber
bereitet ihnen wohl eher die Zukunft Sorgen.«
    »Hast du keine Angst, in etwas verwickelt zu
werden?«, fragte Janis schelmisch.
    »Überhaupt nicht«, erwiderte Moh. »Die
Polizei ist weit in der Unterzahl. Entweder sie zieht sich
zurück, oder sie holt Verstärkung. In beiden
Fällen…« Er zuckte die Achseln.
    Das Luftschiff – eine dreißig Meter durchmessende
schwarze Scheibe, die aussah wie die Fliegende Untertasse einer
Invasorenstreitmacht von Aliens – glitt über ihnen

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