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Das Sternenprogramm

Das Sternenprogramm

Titel: Das Sternenprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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vorbei und kam mit einem ohrenbetäubenden Knattern der
Propeller zum Stehen. Hinter dem Einkaufszentrum sank es langsam
herab und brachte eine Gassperre aus. Strickleitern wurden
herabgelassen und gerieten sogleich in pendelnde Bewegung, als
die flüchtenden Polizisten hochkletterten. Kaum dass alle an
Bord waren, schwankte das Luftschiff, neigte sich und schlingerte
in westlicher Richtung davon.
    »Überladen«, meinte Moh voller Genugtuung.
»Taugen dazu, Menschenmengen einzuschüchtern, aber das
ist auch schon alles.«
    Leute trudelten ein, die meisten rennend, bis sie
plötzlich an Schwung verloren und benommen umhergingen, als
hätte man sie soeben aus einem Pub auf die Straße
geworfen. Man sah blutende Köpfe, tropfende Nasen,
tränende Augen. Schwerwiegende Verletzungen sah Janis keine,
und sie verspürte eine selbstsüchtige Erleichterung,
weil sie nicht gezwungen war, Erste Hilfe zu leisten.
    Etwa eine halbe Stunde später vermeldeten zunehmend
häufige und aufgeregte, allerdings völlig
unverständliche Lautsprecheransagen das Nahen eines Zuges.
Eine weitere halbe Stunde später traf er ein, besetzt mit
einer schwankenden Schar von Pendlern: vor allem Bettler und
Prostituierte kehrten von ihrer Tagschicht in der Stadt
zurück.
    Ein paar Sitze waren noch frei, doch Janis wollte nicht Platz
nehmen. Sie hielt sich möglichst nahe der Tür und
klammerte sich am Haltegriff fest. Moh stand gebückt neben
ihr und hielt das Gleichgewicht, ohne sich abzustützen,
während der Zug schlingerte und schwankte. In leisen,
knappen Sätzen – mit kurzen Pausen, wenn der Lärm
einmal nachließ – berichtete er ihr, was er von Logan
und Donovan erfahren hatte.
    »Scheint so, als ginge es um was Biologisches«,
sagte sie. »Ich hätte mit etwas Politischem gerechnet,
aber das… Mein Gott, das ist unheimlich.«
    »Unheimlich und gruslig.« Moh schüttelte den
Kopf, unter gesenkten Lidern richtete sich sein konzentrierter
Blick in die Ferne. »Ich weiß, was du meinst…
aber ich glaube nicht, dass es um etwas so Finsteres geht…
wie die Absicht des Uhrmachers, neues Leben zu erschaffen oder
die Weltherrschaft zu erringen oder so was in der Art. Es geht um
etwas viel Beunruhigenderes.«
    »Was meinst du?«
    »Es hat mit einer Bemerkung zu tun, die Logan
beiläufig fallen ließ: Wiederherstellung von Daten
nach einer Katastrophe. Das ist der politische Sinn des Ganzen.
Es ist so besorgniserregend – weil es so besorgt
ist, wenn man so will. Das passt zu Joshs Denkweise – er
hat immer vom Untergang geredet, der eintreten könnte, wenn
es uns nicht gelingen sollte, eine…« – Moh
verzog das Gesicht, als sei es ihm peinlich – »eine
neue Gesellschaft zu errichten. Eine vernünftigere
Gesellschaft. Er glaubte, wir würden dann zu einer
früheren Gesellschaftsform zurückkehren. Zu einer
präkapitalistischen.«
    »Anstatt einer post-? Ja, ja.« Sie lächelte
ihn skeptisch an. »>Eine Katastrophe bedroht die ganze Menschheitskultur    Moh runzelte die Stirn. »Wie kommst du
darauf?«
    »Das steht im Übergangsprogramm, in dem Abschnitt
über den Todeskampf des Kapitalismus…«
    »Stimmt.« Er schloss einen Moment lang die Augen.
»Trotzkij… Okay.« Er öffnete die Augen
wieder. »Hatte den Faden verloren. Egal. Du hast kapiert,
worum es geht. Schon wieder das Programm.«
    »Also«, sagte sie, »er hat sich beim letzten
Mal geirrt, nicht wahr? Ich meine, wann hat er diese
Untergangssachen geschrieben? 1938?«
    Moh lachte und legte ihr den Arm um die Schultern. »Du
hast mir wieder Mut gemacht, ja wirklich. Es ist ja nicht so,
dass es 1939 zu einer weltweiten Katastrophe gekommen wäre,
stimmt’s?«
     
    Sie stiegen an einer Station aus, die sich die U-Bahn mit der
Einschienenhochbahn teilte. U-Bahn und Hochbahn fuhren hier
ebenerdig: Heinleingrad, ein gutes Stück innerhalb des
Grüngürtels gelegen, wo sämtliche alten
Straßennamen abgekratzt waren. Der geplünderte Teil
der U-Bahnstation war mit bunter Graffiti und pseudotiefsinnigen
Slogans beschmiert:
     
WEDER TOD NOCH STEUERN
 
QUANTEN-DELOKALITÄT: DAS UNIVERSUM NEBENAN
 
DER WELTRAUM ZUERST! KEINE KOMPROMISSE BEI DER VERTEIDIGUNG DER
    KINDER DER ERDE!
     
    Sie stupste Moh an. »Welche von euch?«
    »Nee. Bloß irgendwelche Extremisten.«
    Der Bahnsteig war um eine Bushaltestelle aus den 1930ern
erbaut worden und im Stil einer futuristischen Vergangenheit
gehalten. Sie setzten sich in die mit

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