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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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also wohl der, daß er
sich nicht seinen schönen grauen Hut versauen wollte. Ich öffnete die Tür.
    „Guten Abend“, sagte er. „Sind Sie der
Kollege, von dem mir Joséphine erzählt hat?“
    „Joséphine heißt sie?“
    „Ja. M’sieur Dalor , nicht wahr?“
    „Höchstpersönlich. Und Sie sind
Bénech, stimmt’s?“
    „Ja.“
    Wir gaben uns die Hand.
    „Kommen Sie rein“, forderte ich ihn
auf.
    Er kam.
    „Sie kennen den Laden hier besser als
ich. Kann man sich was aufs Zimmer bringen lassen?“
    „Bei mir ist alles, was wir brauchen“,
sagte Bénech lächelnd. Ich konnte seine kräftigen Wolfszähne bewundern. „Es sei
denn, Sie mögen keinen Gin...“
    „Meine Lieblingsmedizin. Aber ich
wollte mich nicht gleich am ersten Abend besaufen.“
    „Ach, ein Gläschen wird Sie nicht umhaun . Sie als Kollege müßten doch was vertragen
können...“
    Sein Lächeln wurde breiter. Ich
seufzte gequält:
    „Mein letzter Chef in der Provinz hat
nur Mandelmilch gesoffen.“
    „Ach, hör’n Sie mir auf mit der Provinz!“ lachte mein „Kollege“.
    „Stimmt, die leben da noch hinterm
Mond. Also gut, gehen wir rüber.“
    Wir wechselten das Zimmer. Ganz ruhig,
unschuldig wie ein Lamm, schob er mir einen Stuhl hin und ging ins Bad, um zwei
Gläser zu spülen. Zusammen mit einer Flasche Gin stellte er sie auf den Tisch.
Ich servierte ihm als Gegenleistung das Märchen von dem arbeitssuchenden
Chauffeur.
    „Weiß nicht, ob ich Ihnen weiterhelfen
kann“, sagte er. „Aber trinken wir erst mal was.“
    Beim Eingießen war er nicht sparsam.
Er setzte sich aufs Bett, hob sein Glas und prostete mir zu:
    „Auf Ihr Wohl.“
    „Auf Ihrs, Célestin.“
    Ich trank. Er nicht.
    Er runzelte die Stirn, das Glas
erhoben. Der Regen trommelte gegen die Fensterläden.
    „Scheiße“, entfuhr es ihm.
    Jetzt nahm er doch einen Schluck.
    „Ich heiße nicht Célestin“, sagte er
dann.
    „Und ich heiße nicht Dalor . Wir sind also quitt.“
    „Quitt? Wieso quitt? Was soll der
Scheiß? Für einen aus der Provinz...“
    „Provinz. Daß ich nicht lache! Bin
seit zehn Jahren nicht über Châtillon -sous- Bagneux hinausgekommen. Also, mein Lieber, mit der Provinz... Werd’s Ihnen erklären.“
    Ich nahm noch einen kräftigen Schluck
und stellte mein Glas auf den Tisch.
    „Der Gin ist vorzüglich“, stellte ich
fest. „Stammt er von Madame Ailot? Sollte man nicht meinen, daß die so’n Zeug säuft.“
    Er schwieg. Ich reichte ihm meine
Visitenkarte. Eine von denen, die alles erklären. Er las, las noch mal, stieß
dann hervor: „ Privatflic ?“
    „’n ganz bekannter sogar. Nie von mir
gehört?“
    Er richtete sich auf, warf sich in die
Brust. Vielleicht machte das auf seine Arbeitgeberinnen Eindruck. Auf mich
nicht.
    „Auf Privatflics scheiß ich“, sagte er, zuckersüß lächelnd.
    „Ich auch. Gleich und gleich gesellt
sich gern... Ja, Privatflic . Weiß nicht, warum ich heute nachmittag Versteck gespielt
habe. Aber jetzt ist Schluß mit dem Spiel. Jetzt wird’s ernst. Zeit, daß wir
mit offenen Karten spielen.“
    „Mit offenen Karten?“
    Er lachte.
    „Ja, mit offenen Karten.“
    Ich befühlte die Matratze.
    „Nicht schlecht. Aber die von Madame
Ailot war bestimmt viel weicher, hm? Oder habt ihr’s in der Garage getrieben,
auf alten Reifen, Benzingestank in der Nase? Na ja, die Geschmäcker sind
verschieden...“
    Auch hier ist meiner besonders
verschieden!
    „Hör mal gut zu, Alter“, sagte
Yves-Célestin leise. „Du bist ‘n Privatflic . Gut.
Aber das heißt noch lange nicht, daß du deine Nase überall reinstecken kannst.
Was geht dich das an, ob ich mir die Alte reingepfiffen hab oder nicht?“
    „Was mich das angeht? ‘n Scheißdreck!
Wollte nur eins klarstellen: Ich find’s ganz schön beschissen, das man alte
Tanten so behandelt, nachdem man sie sich... äh, wie war das? ... reingepfiffen
hat, jawohl! Aber Intimes ist hier nicht Thema.“
    Er lachte laut los:
    „Sehr intim! Ansichten wie im ancien régime . Für’n Privatflic bist du ganz
schön von gestern.“
    „Jedem seine kleine
Existenzphilosophie“, sagte ich und goß mir Gin nach. „Ich hab da ‘ne ganz
bestimmte Richtung. Und wem die nicht paßt, auf den scheiß ich. Wie du auf Privatflics . Siehst du, wir sind schon wieder quitt.“
    „Alles Blabla “,
brummte er.
    „Aber ganz amüsant“, gab ich zurück.
„Und hat die Baronin wenigstens noch was zu bieten?“
    „ We ... Welche Baronin ?“
    „D’ Aurimont , Rue de l’

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