Das stille Gold der alten Dame
leuchtete auf. Vielleicht meiner...
Langsam kroch Feuchtigkeit in mir
hoch, und ich wurde müde. Ich schüttelte mich, setzte mich auf meinen
Allerwertesten und stellte mich dann auf die Füße. Es ging. Etwas kreuzlahm,
aber es ging. Geh schlafen, Nestor! Genug für heute. Immerhin klärte der
brutale Angriff die Situation. Du wußtest nicht so recht, woran du warst bei
diesem Bénech. Jetzt weißt du’s, so ungefähr. Du darfst nicht zuviel verlangen, wenn man dir soeben die Fresse poliert
hat.
Bei meinem Sturzflug hatten sich Hut
und Pfeife selbständig gemacht. Ich suchte sie im Schein vieler Streichhölzer.
Der Wind blies wie verrückt durch die ungemütliche Treppenschlucht. Schließlich
fand ich Hut und Pfeife. Der Hut war ziemlich versaut, aber die Pfeife mit dem
Stierkopf hatte keinen Kratzer abgekriegt. Etwas langsamer, als ich eben
hinuntergepurzelt war, stieg ich die verdammte Treppe wieder hinauf. Dann ging
ich zur Erholung in das Bistro, das Bénech genannt hatte, Ecke Rue de la Tour
und Rue de Passy. Der Chauffeur war natürlich nicht da. Nach einem kleinen
Erfrischungsgetränk ging ich zurück ins Hotel de l’Assomption .
Der Schlüssel für Zimmer Nr. 29 hing
wartend am Brett. Der schlaflose Nachtportier sah mich grinsend an. Mein Hut
schien es ihm angetan zu haben. Ich nahm meinen Schlüssel und ging aufs Zimmer.
Überrascht stellte ich fest, das es erst zehn nach zwölf war.
Die Zeit war mir viel länger vorgekommen. Ich legte mich ins Bett.
Um halb eins war ich noch nicht
eingeschlafen. Hier zwischen zwei sauberen Laken fühlte ich mich nicht wohler
als eben auf der feuchten Treppe. Mein Rücken tat mir weh. Mein Schädel
brummte. Außerdem wartete ich darauf, daß der Amateur-Catcher ins Hotel kam.
Verständlich. Hätte noch gerne ein Sätzchen mit ihm geredet. Um eins lag ich
immer noch wach. Auf dem Flur war kein Ton zu hören. Im ganzen Haus herrschte
absolute Stille. Nur jede Viertelstunde das Schlagen einer Uhr in der
Nachbarschaft. Aber das machte die Stille noch bewußter .
Ich gähnte in die Dunkelheit hinein, tastete nach meiner Pfeife und zündete sie
an. Die ersten Züge taten meinem Kopf gar nicht gut. Meine Kreuzschmerzen
quälten mich. Na schön. Ich machte Licht, stand auf und zog mich wieder an.
Vorher bürstete ich noch meinen Anzug ab, der genauso mitgenommen aussah wie
der Hut. Ein ganz ruhiger Fall für Nestor Burma, in der friedlichen Stille
eines großbürgerlichen Viertels.
Ich öffnete die Zimmertür und
lauschte. Nichts zu sehen, nichts zu hören. Auf Zehenspitzen ging ich hinüber
zu Célestins Zimmer. Der Chauffeur war noch nicht zurück von seinem
Spaziergang. Ansonsten sah die Bude aus wie vorher. Flasche und Gläser standen
immer noch am selben Ort. Viel Gin war aber nicht übriggeblieben. Ich gab der
Flasche den Rest. Wegen der Unannehmlichkeiten. Dann durchsuchte ich das
Zimmer. Für die Katz. Ich trat den Rückzug an. Als ich über den Flur schlich,
schrillte eine Klingel unten im Hotel. Ich hörte die brummende Stimme des
Portiers, konnte aber nichts verstehen. Fast sofort klingelte es wieder.
Diesmal hier auf der Etage. In meinem Zimmer. Ich stürzte hinein und nahm den
Hörer ab.
„ M’sieur Dalor ?“
„Ja.“
„Eine Dame“, kicherte er.
„Eine Dame?“
„Bleiben Sie dran. Eine Dame möchte
Sie sprechen.“
Wenige Sekunden später sagte eine
Frauenstimme:
„Hallo, Monsieur Dalor ?
Ich meine, Monsieur Burma?“
„ Dalor , ja.
Wer ist da?“
„Madame Ailot.“
„Entschuldigen Sie. Hab Ihre Stimme
nicht gleich erkannt.“
„Kommen Sie bitte sofort... sofort...“
Sie sprach sehr schnell.
„Ich fürchte, daß etwas... etwas
passiert... Können Sie kommen?“
„Zu Ihnen?“
„Ja. Es geht etwas vor...“
„Hab das Gefühl, daß ‘ne ganze Menge
vorgeht.“
„Wie meinen Sie das?“
Der Tonfall in ihrer Stimme hatte sich
verändert.
„ Werd’s Ihnen erklären“, sagte ich. „Bis gleich.“
Ich legte auf und zog meine Schuhe an.
Mal sehen, was im Hause Ailot vorging. Als ich dem Nachtportier in der
Hotelhalle meinen Schlüssel gab, bekam ich zu hören:
„Gut, daß ich sowieso nicht schlafen
kann. Telefonanrufe um zwei Uhr nachts...! „
* * *
Ich legte die Entfernung zum Haus
meiner Klientin in Rekordzeit zurück. Hinter der Mauer schien alles zu
schlafen. Zugezogene Vorhänge, geschlossene Türen. Nur ein schwaches Licht,
wahrscheinlich aus einem Seitenfenster, spielte in den Zweigen eines Baumes.
Ich
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