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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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stellte das Tablett auf den Tisch.
„Gewöhnlich trinke ich zwar nichts...“
    Der Satz blieb unvollendet.
    „Kein Soda? Kein Eis?“ fragte ich.
    „Nein, ich... Wie gesagt, gewöhnlich
trinke ich nichts.“
    Ein schwaches Lächeln umspielte ihre
blassen Lippen.
    „Egal. Man kann’s auch pur
runterwürgen“, sagte ich.
    Ich schenkte ein, reichte ihr ein Glas
und mir das andere. Der Whisky konnte mir jedoch nicht helfen. Rippen und Kopf
taten mir immer noch weh. Mein Hirn war eine schwammige Masse.
    „Weiter im Text“, begann ich wieder.
„Er hat also nichts gesagt?“
    „Nein.“
    Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen.
Der Fuß wippte samt rotem Pantöffelchen.
    „Er stand also vor Ihnen, wie
angewurzelt, stumm wie ein Fisch?“
    „Aber...“
    Der Fuß hörte auf zu wippen.
    „Vor mir hat er nicht
gestanden!“ rief Madame Ailot. „Er wollte doch gar nicht zu mir!“
    „Zu wem dann?“ fragte ich.
    Sie brachte die Beine wieder in
Normalstellung, schräg nebeneinander.
    „Ich habe eine Nichte“, sagte sie nach
kurzem Zögern. „ Heute nachmittag sah ich keinen Grund, Ihnen das zu sagen... Es war völlig überflüssig... Also,
ich habe eine Nichte. Suzanne...“
    „Ach ja, Suzanne. Marie-Chantal —
Suzanne.“
    „Sie kennen sie?“
    „Neunzehn, zwanzig Jahre, hübsch, gute
Figur, lange kastanienbraune Haare mit einem Stich ins Rötliche, abgenagte
Fingernägel, etwas dämlich. Ja, doch, die kenne ich.“
    Ich erzählte auch noch, wie ich das
Mädchen kennengelernt hatte.
    „Etwas dämlich?“ fragte die Tante
pikiert.
    „Sagen wir... naiv, wenn Ihnen ,dämlich “ nicht gefällt.“
    „Hat sie so auf Sie gewirkt?“
    „Wie sie auf mich gewirkt hat, ist
ziemlich uninteressant. Sie sagten also, daß Ihre Nichte...“
    Verlegen zappelte Madame in ihrem
Sessel hin und her.
    „Sie machen’s mir nicht grade
einfach“, sagte sie leicht vorwurfsvoll. „Sie wissen nicht, wie unangenehm mir
das ist...“
    Sie schlug mit der Faust auf die
Sessellehne.
    „Könnten Sie sich nicht etwas Mühe
geben und meine Andeutung verstehen? Muß ich das Peinliche aussprechen?“
    „Nicht nötig“, sagte ich seufzend.
    Das Peinliche hinter der Andeutung
gefiel mir gar nicht, aber was soll’s? Verdammt! Der Kerl benahm sich wie’n Zuchthengst. Na ja, mit den Pferdestärken der
Limousine, die er fahren durfte...
    „Sie ist also die Geliebte Ihres
Ex-Chauffeurs“, stellte ich fest.
    Madame Ailot senkte den Blick.
    „Das ist der Grund, weshalb ich ihn
rausgeworfen habe“, gestand sie. „Und aus Rache hat er mir meinen Schmuck
gestohlen. Aber vielleicht genügt ihm das noch nicht. Bestimmt nicht! Und heute abend , heute nacht , ist er
wiedergekommen, zu ihr... Ich wußte nicht, was ich tun sollte. So eine
Unverschämtheit! So eine Schamlosigkeit! Ich rannte in meinem Zimmer auf und
ab, wie ein Löwe im Käfig...“
    Sie kam so richtig in Schwung. Die
Worte sprudelten nur so aus ihr hervor, ohne aufeinander zu warten. Wie ein
Maschinengewehr! Ich ließ sie sprudeln.
    „Ja, ich war außer mir, hatte auch
Angst, wollte Sie anrufen, hab es dann aber doch nicht getan, warum sollte ich
Sie anrufen? Ich lief hin und her, ging schließlich hinauf zu ihr, in ihr
Zimmer, und dann hab ich Sie angerufen, nur Sie konnten mir helfen, mir
raten... Sie ist nicht mehr da, Monsieur Burma...“
    Die Stimme versagte ihr.
    „Sie ist nicht mehr da!“ schluchzte
sie. „Sie ist verschwunden...“

Das Wort hat Kollege Revolver
     
    „Äh... Verschwunden?“ stotterte ich.
    „Ja“, bestätigte Suzannes Tante.
    „Mit ihm?“
    „Mit wem sonst?“
    „Ja, natürlich...“
    Ein kleines Mädchen, das auf den
Märchenprinzen wartet. Auf irgendeinen Märchenprinzen, der sie entführt. Ich
hätte die Rolle genausogut übernehmen können. Aber
Célestin war der Auserwählte. Ein komischer Märchenprinz!
    „Wie alt ist Ihre Nichte?“ erkundigte
ich mich.
    „Zwanzig.“
    „Dann kann man ihn wegen Ver - und Entführung Minderjähriger drankriegen. Ich
fürchte, Sie müssen Anzeige erstatten, Madame.“
    „Großer Gott!“ schluchzte sie
händeringend. „Dieser Skandal! Nein, unmöglich! Wenn mein Mann in ein paar Tagen
von seiner Geschäftsreise zurückkommt...“
    Sie hatte sich wieder in der Gewalt.
    „Nein, Monsieur Burma, das ist
unmöglich! Sie sind doch Detektiv. Sie müssen eine andere Lösung finden.“
    „Hm... Schwierig. Und wenn... äh...
wenn sie ihn liebt? Ich fände das gar nicht lustig, das sag ich Ihnen

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