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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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Besonderes.
Ich bin’s gewohnt. Deshalb bin ich Ihnen nicht böse.“
    „Ich habe auch meine Mutter
getötet...“
    „Ach!“
    Das war allerdings neu.
    „Wann?“ wollte ich wissen.
    „Ich habe auch meine Mutter getötet“,
wiederholte sie statt einer Antwort.
    „Klar. Zuerst tötet man seine Mutter,
dann den Chauffeur seiner Tante. Vergessen Sie’s!“
    Pause. Dann stammelte sie:
    „Der Chauffeur! ... Der Chauffeur!“
    „Vergessen Sie ihn!“
    Der wurde nämlich schon so langsam
kalt.
    „Der Chauffeur!“ begann sie wieder.
„Er war mit mir zusammen ..
    „Jetzt nicht mehr. Nie mehr.“
    „Der Chauffeur! ...“
    Sie starrte auf die Leiche, schien
aber an was ganz anderes zu denken. Wir konnten nicht ewig hier sitzen und so
lange herumstammeln, bis Yves Bénech von den Toten auferstand. Ich überließ das
Mädchen ihren Gewissensbissen — oder was es sonst war — , und drehte mich zu Madame Ailot um...
    ...gerade rechtzeitig, um mich einer
weiteren Aufgabe zu widmen, die sie mir stellte. Für ihr Geld verlangte sie
ganz schön viel. Bei ihr wurde man nicht arbeitslos. Zuerst sollte ich ihren
Schmuck wiederbeschaffen. Dann schleppte sie mich durchs nächtliche Paris. Und
jetzt mußte ich auch noch als Krankenschwester fungieren. Ihre Beine trugen sie
nicht mehr. Wie ein sterbender Schwan lag sie in einem der Sessel hingegossen,
auf dem Schonbezug. Alles in ihrer Haltung deutete auf einen kommenden
Nervenzusammenbruch. Und er kam. Erstaunlich, daß das nicht schon früher
passiert war. Wie unter einem Elektroschock bäumte sie sich auf. Ein
hysterischer Schrei aus ihrer Kehle zerriß die Stille
der Nacht, wie die Sirene eines Schleppkahns. Haben Sie schon mal eine achtbare
Dame von fünfzig Jahren geohrfeigt? Nicht angenehm, versichere ich Ihnen. Auch
wenn man noch so sadistisch veranlagt ist. Abgesehen davon, daß so was strafbar
ist, kann bei einer derartigen Aktion das Gebiß des Opfers rausfallen oder
verschluckt werden. Unangenehm, sehr unangenehm... Aber ich wagte es. Das
wirkte auch auf meine Nerven beruhigend. Endlich gelang es mir, sie zur Räson
zu bringen. Dabei kassierten meine Schienbeine mehrere Tritte der sportlichen
Schuhe. Aber die Zappelei war zu Ende. Wie ihre
Nichte saß sie jetzt brav im Sessel. Was für eine Familie! Ich machte gute
Miene zum bitterbösen Spiel. Nestor, das Allround-Talent. Märchenprinz und
Liebhaber von Sex-Orgien. Der König der Dreieckspielchen. Mit einer Frau pro
Nacht ist er nicht ausgelastet. Zwei müssen her. Eine noch nicht zu sehr
verblühte Tante und eine übergeschnappte Mörderin, die Nichte. Na ja, so ist
das nun mal. In meinem Alter ändert man sich nicht mehr.
    „Mein Gott!“ stöhnte Madame Ailot.
    „Fangen Sie bloß nicht schon wieder
damit an“, warnte ich sie.
    „Aber was... was sollen wir tun?“
    „Erst mal abhaun .
Schnellstens. Geben Sie den Mantel Ihrer Nichte. Die braucht ihn nötiger.“
    Ich mußte ihr den Pelz eigenhändig
aus- und Suzanne anzie-hen .
    „Verschwinden wir. Célestin kommt auch
alleine zurecht.“
    Vorher suchte ich aber noch
Marie-Chantals Revolver, wickelte ihn in ein Taschentuch und steckte ihn ein.
    Wir gingen zum Wagen zurück. Keine
leichte Arbeit. Wir setzten uns rein, und ich startete den Tallemet .
Auf meiner Uhr war’s kurz nach vier. Die letzte Stunde war wie im Fluge
vergangen.
     
    * * *
     
    So hoffnungsvoll, wie wir die Villa in
der Rue du Ranelagh verlassen hatten, kehrten wir
nicht wieder zurück. Meine beiden Frauen waren so aufgelöst, daß etwas Lärm
unvermeidlich war. Aber darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Zuerst brachten
wir Suzanne hinauf in ihr Zimmer. Das heißt, ich stützte sie, und Madame Ailot
hielt sich an ihr fest, um nicht selbst hinzufallen. Plötzlich stand der Sohn
des Hauses vor uns. Er war nun schon zum zweiten Mal aus dem Bett gefallen.
    „Was soll das Theater?“ schimpfte
seine Mutter, die Haltung zu bewahren versuchte.
    Ohne eine Antwort abzuwarten, befahl
sie:
    „Marsch ins Bett! Aber sofort!“
    Der Sohn sagte nichts. Er ging wieder
schlafen, aber ich bezweifelte, daß er tatsächlich schlief. Erst sah er uns
blöd an, dann konzentrierte er sich auf seine Cousine. Gerade im richtigen
Moment. In dem Moment nämlich, als sie sich bewegte und der Pelzmantel sich
öffnete. Alles, was es zu sehen gab, sah der kleine Blödmann. Ein hübsches
Schauspiel für den Glückspilz. Aber vielleicht hatte er gar nicht soviel davon. Das Verhältnis Cousin-Cousine ist mir

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