Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
Vom Netzwerk:
zufrieden sein: die
Horizontale war seine bevorzugte Position gewesen. Jetzt war er gut bedient,
dieser Schlauberger! Ich hatte ihn gewarnt. Überschlau wird selten alt...
    Nach dieser Leichenrede mußte ich mich
erst mal setzen. Müdigkeit überfiel mich. Deswegen war ich auch so fertig mit
den Nerven und redete Quatsch. Keine Ausreden, Nestor! Du bist einfach schlecht
erzogen, das ist alles. Mit dir kann man sich nirgendwo sehen lassen.
Eifersüchtig auf einen Toten? Du willst doch wohl kaum mit ihm tauschen, oder?
    Vom Sofa aus ließ ich meine Blicke
schweifen. Das hier glich mehr einem Rattenloch als einem Liebesnest. Aber
Gottes Tierreich ist groß, und die Geschmäcker sind verschieden, wie gesagt.
Kein Möbel, das nicht auf den Müll gehört hätte: der Tisch wackelte, der
Kommode fehlte eine Schublade, die Sessel unter den Schutzhüllen verloren
wahrscheinlich ihre Haare. Eine Rumpelkammer, wie Madame Ailot gesagt hatte.
Gut für gebrauchte Möbel, alte Teppiche und Leichen. Ja, es lagen mehrere
Teppiche auf dem Holzfußboden. Kein Zentimeter Holz war zu sehen. So blieb auch
der Staub unsichtbar.
    Ich stand auf und sah mir die Kippen
genauer an, die zwischen Kommode und Tisch verstreut waren. Ein halbes Dutzend,
verschieden lang, lag dort rum seit... Tja, höchst wichtig, nicht wahr?
Sherlock Holmes hätte bestimmt sagen können, seit wann die Kippen da schon
rumlagen und wie alt die verschiedenen Raucher waren. Aber ich bin nicht
Sherlock Holmes und geb mich mit solchem Blödsinn
nicht ab. Stattdessen dachte ich noch ‘ne Weile nach. Schon deshalb, um den
Zeitpunkt hinauszuzögern, in dem ich meinen Freund Florimond Faroux informieren mußte.
    Ich ging zurück zum Sofa. Auf dem
Teppich sah ich leere Patronenhülsen. Zwei. Eine für Bénech, eine für mich. Ich
ließ sie liegen, wo sie lagen. Die Hülsen erinnerten mich an Suzannes Revolver.
Ich zog ihn aus der Tasche und sah ihn mir genauer an. Irgendwann hatte mal ein
Schalldämpfer draufgesteckt. Die Spuren waren noch zu sehen. Und eins war auch
ganz klar: das war kein Damenrevolver. Ich steckte das Ding wieder ein.
    Als nächstes hob ich den
schwarzseidenen Morgenrock auf, den Suzanne getragen hatte. Der Stoff zerfloß einem in den Händen, bei Bedarf sozusagen im
entscheidenden Augenblick. Dem jungen Mädchen war er wohl etwas weit gewesen.
Und noch was anderes entdeckte ich: ein geniales Druckknopfsystem. Man brauchte
nur einen der Knöpfe zu öffnen, und schon fiel der Vorhang. Ein seltsames
Gewand für ein wohlerzogenes junges Mädchen aus gutem Hause. So was findet man
doch eher im Kleiderschrank einer barmherzigen Schwester der Horizontale.
Allerhand! Da wartet die unschuldige Kleine auf den Märchenprinzen, und in dem
hübschen kleinen Köpfchen wälzt sie sündige Gedanken. Heutzutage darf man sich
über gar nichts wundern. Es gibt keine Kinder mehr, wie Jean-Jacques Delbo sagt.
    „Ich habe schon meine Mutter getötet“,
hatte das seltsame Mädchen gesagt. Ich sah vorsichtshalber unters Sofa, falls
sie die Leiche dort versteckt hatte. Unter dem Sofa lag nichts, dafür aber
unter der Kommode. Es glänzte schwach, war grade noch im Schatten zu sehen.
Eine dritte Patronenhülse? Das würde das Problem variieren. Beziehungsweise,
dadurch würde ein neues geschaffen.
    Es war aber keine dritte
Patronenhülse, sondern eine herzförmige Brosche. So ähnlich mußte wohl die
aussehen, die Célestin seiner ehemaligen Chefin und Bettgenossin geklaut hatte.
Davon gab’s wohl Tausende in Paris. Herzförmige Broschen, meine ich. Ich kenn
mich damit zwar nicht besonders gut aus, aber aus Gold schien mir die Nadel
nicht zu sein. Und die Diamanten darauf sahen mich ziemlich trüb an, für
Diamanten. Ich drehte den Fund hin und her. Das Herz ließ sich öffnen. Ich
öffnete es. Du schlauer Fuchs, was hast du erwartet? Ein grinsendes Teufelchen?
Nichts war drin, in dem Herzen. Nichts. So sieht es in vielen Herzen aus. Ich
steckte die Brosche ein.
    Dann ging ich ins Nebenzimmer.
Dunkelheit und Stille. Ich knipste das Licht an. Rumpelkammer Nr. 2 für
ausrangierte Möbel. Eine Kommode, weniger stilecht als schwer, ein
Ausziehtisch, eine riesige Pendeluhr, die schon seit Jahren verstummt war, usw.
usw. In einem Kleiderschrank hingen Damen- und Herrenklamotten auf Bügeln.
Einige Bügel waren leer. Schön. Ein Kleiderdepot für Bedürftige. Hier
versorgten sich also die Wohltätigkeitsvereine. Für mich war nichts dabei. Ich red nicht von den Jacken und Hosen, den

Weitere Kostenlose Bücher