Das stille Gold der alten Dame
immer
etwas verdächtig erschienen.
* * *
„Wie schrecklich!“ jammerte Madame
Ailot. „Furchtbar! Ich... was... Was sollen wir tun?“
Zum dritten Mal innerhalb kürzester
Zeit waren wir allein in unserem Séparée. So langsam kam mir der Nippeskram vertraut vor. Meine Klientin hatte ihre Nichte
ins Bett gebracht. Jetzt erwartete sie einen letzten Dienst von mir, ohne offen
darüber zu sprechen. Aber ich konnte mir schon denken, was sie wollte.
„Vielleicht... Vielleicht sollte ich
einen Arzt rufen?“ fragte sie zögernd.
„Von mir aus. Wenn Sie einen kennen,
der sich um diese Zeit herbemüht... Aber die Flics werden bestimmt ihren Medizinmann mitbringen, für Bénech.“
„Die... Meinen Sie... die Polizei?“
„Ja, ich meine die Polizei. Wir müssen
sie alarmieren.“
„Könnten Sie nicht vielleicht...“
Sie schwieg.
„Vielleicht könnte ich was?“ fragte
ich.
Jetzt kamen wir zur Sache. Sie
antwortete nicht sofort. Ihr Blick wanderte zu den hunderttausend Francs, die
immer noch auf dem Tisch lagen: das Geld, das ich ihr zurückgegeben hatte. Dann
sah sie wieder mich an.
„Sicher“, sagte sie, „das ist nicht
viel. Aber... wenn Sie einverstanden wären...“
Weiter kam sie nicht. Ich schüttelte
den Kopf.
„Ich glaube nicht, daß ich
einverstanden bin“, sagte ich. „Ich bin kein Engel, und hundert Riesen sind
kein Pappenstiel. Vor allem, wenn eine Nachzahlung möglich ist. Das Ding ist
mir aber zu heiß. Ob sie ihn vorsätzlich getötet hat, ob sie unzurechnungsfähig
war oder ob es sich einfach um einen Unfall gehandelt hat, ist mir egal. Die
Fakten sind klar: Célestin ist tot. Da gibt’s nichts zu vertuschen, für welche
Summe auch immer. Früher oder später wird die Leiche entdeckt, auch wenn ich
sie in die Seine schmeißen würde. Was übrigens auf keinen Fall in Frage kommt!
Man wird rauskriegen, daß ich mit dem Toten was zu tun hatte, als er noch
laufen konnte. Selbst wenn die Leiche nicht gefunden wird... Der Hotelbesitzer
meldet Célestins Verschwinden — ich meine das von Yves Bénech — der Polizei.
Und die stellt mühelos fest, daß ich ein Zimmer in dem Hotel habe, daß ich das
Zimmermädchen nach Bénech gefragt habe, sie den Kontakt hergestellt hat, ich
direkt nach ihm das Hotel verlassen habe und alleine wieder zurückgekommen
bin... und daß mich um zwei Uhr morgens eine Frau angerufen hat.“
Madame Ailot schlug wütend auf die
Sessellehne.
„Warum hatten Sie auch diese verdammte
Idee, sich ein Zimmer in demselben Hotel zu nehmen!“ rief sie.
„Manchmal hab ich so Ideen... Manchmal
sind sie gut, manchmal schlecht. Das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Und von
Ihrem Sohn will ich gar nicht erst anfangen. Der ist bestimmt neugierig
geworden bei unseren Aktionen. Wenn er redet, hört mit Sicherheit irgendeiner
zu.“
„Lächerlich! Mein Sohn wird nichts
sagen.“
„Das ist auch nicht der heikelste
Punkt. Hab’s nur der Vollständigkeit halber erwähnt.“
„Na schön“, sagte sie resignierend und
zeigte auf das Telefon. „Rufen Sie die Polizei! ... Mein Gott, dieser Skandal!
Das überleb ich nicht.“
„Ich informiere die Polizei lieber
mündlich“, entschied ich. „Ganz persönlich. Ich kenne den Chef der Kripo,
Kommissar Faroux. Bin so was wie’n Hauptlieferant für ihn. Mal sehen, was sich machen läßt.“
„Jetzt ist schon alles egal“, seufzte
sie mit müder Geste.
Ich ließ Madame Ailot mit ihrem Kummer
alleine und ging in die Rue des Maronniers . In dieser
Gegend werden zwar Menschen umgebracht, aber keine Autos geklaut. Mein Dugat wartete brav auf mich. Ich klemmte mich hinters
Steuer und ging in mich. Eigentlich hätte ich Florimond Faroux direkt nach der Entdeckung der Leiche anrufen müssen. Jetzt war’s egal,
ob er eine halbe Stunde früher oder später von der Sache erfuhr. Anschnauzen
würde er mich sowieso. Ich zündete mir eine Pfeife an und nahm Kurs auf die Rue
Berton.
Die Sprache der Indizien
In dem tragischen Pavillon hatte sich
nichts verändert. Wir hatten bei unserer Flucht die Deckenlampe brennen lassen.
Sie goß ihr gelbliches Licht über Yves Bénechs Leiche. Ich beugte mich über den toten Ex-Chauffeur. Die Kugel war durch
Mantel, Jacke, Hemd und Herz gedrungen. Célestin mußte auf der Stelle tot
gewesen sein. Er lag auf dem Rücken. Seine Füße hatten den Teppich
zusammengeschoben. Sah aus wie Meereswellen in einem Vorstadttheater. Der
echauffierte Chauffeur war jetzt abgekühlt. Er konnte
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