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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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verschrieben... ein Beruhigungsmittel, glaube ich... Er hat auch eine
Krankenschwester geschickt.“
    „Führen Sie uns zu Ihrer Nichte“,
befahl Faroux.
    Die Vorhänge waren so zugezogen, daß
Tageslicht ins Zimmer fiel, der schlafende Engel jedoch nicht gestört wurde. In
dem hübschen Zimmer herrschte ein ziemliches Chaos. Schweres Parfüm hing in der
Luft. Suzanne lag wie ohnmächtig da. Das kastanienbraune Haar mit dem rötlichen
Schimmer umrahmte ein bleiches Gesicht, fast so weiß wie die Bettlaken.
    „Aber das ist ja noch ein Kind!“
ereiferte sich Faroux.
    „Das hab ich Ihnen doch gesagt“,
erinnerte ich ihn.
    „Zwanzig Jahre“, jammerte die Tante.
    „Violette Norzières war auch zwanzig“, bemerkte Faroux, als hätte die was damit zu tun.
    Die Krankenschwester sah uns erstaunt
an. Ihre strengen Gesichtszüge wirkten genauso steif wie ihre Tracht.
    „Der Doktor...“, begann sie zögernd.
    „Polizei“, sagte Faroux trocken.
„Schläft sie schon lange so... so wie tot?“
    „Ungefähr zwei Stunden“, gab die
Schwester verblüfft Auskunft.
    „Du bleibst hier, Grégoire“, ordnete
der Kommissar an. „Im Zimmer oder auf dem Flur, ganz wie du willst. Und halt
deine Augen offen.“
    „In Ordnung, Chef“, sagte der Beamte
in Zivil, den ich nicht kannte. „Worauf soll ich achtgeben?“
    „Auf alles, was für uns wichtig ist“,
präzisierte sein Vorgesetzter wenig präzise.
    Wir ließen Grégoire mit seiner Aufgabe
allein. Was er entdecken sollte, erfuhr ich später: ein Fläschchen im Regal.
Inhalt: das Rauschgift, mit dem sich die unglückliche Suzanne versorgt hatte.
    Im Salon hörte sich Faroux die
Geschichte aus Madame Ailots Perspektive an. Dann
zauberte er plötzlich einen Schlüssel hervor, den Bénech in der Tasche gehabt
hatte. Wahrscheinlich der, mit dem der tote Chauffeur mich und meine Zähne
geärgert hatte, indem er ihn auf unserem nächtlichen Bummel gegen die
Eisenstäbe geknallt hatte. Madame Ailot identifizierte ihn als Schlüssel zum
Hintereingang ihres Hauses. Inspektor Fabre mußte zum Hintereingang in der Rue
des Bauches gehen, um nachzuprüfen, ob das stimmte. Es stimmte. Jetzt wollte
Faroux mehr über das junge Mädchen wissen. Zuerst den Namen.
    „Marie-Chantal Suzanne Varney “, gab Madame Ailot Auskunft. „Mit e-y am Ende.“
    Faroux stutzte und sah die Tante an,
als wollte sie sich über ihn lustig machen.
    „Marie-Chantal? Ist das ein Spitzname
oder was?“
    „Als sie geboren wurde, war der Name
nicht lächerlicher als andere.“
    „Ja, vielleicht. Ihre Nichte?“
    „Ja.“
    „Die Eltern...“
    „Sie ist Vollwaise. Die Tochter meines
verstorbenen Bruders. Er ist 1944 im Krieg gefallen. Suzanne wuchs in der
Provinz auf, bis... vor anderthalb Jahren...“
    „Und ihre Mutter?“
    „Die ist auch tot... Äh... Monsieur
Burma hat Ihnen vielleicht erzählt, daß Suzanne sich beschuldigt, ihre Mutter
getötet zu haben?“
    „Nein, das hat er mir nicht erzählt.
Monsieur Burma erzählt nämlich nicht alles. Vor allem, wenn’s interessant
wird.“
    „Dummes Zeug“, kommentierte ich.
    „Stimmt“, sagte Madame Ailot und warf
mir einen dankbaren Blick zu. „Das ist dummes Zeug. Fieberphantasien. Ihre
Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben. Als Suzanne das erfuhr, war das wie
ein... Wie sagt man? ...Trauma, ein Komplex. Seitdem sagt sie, sie habe ihre
Mutter getötet.“ Die alte Dame seufzte. „Sie ist etwas gestört. Man kann es ihr
nicht ausreden.“
    „Also gut, ist das alles?“ fragte der
Kommissar. „Entschuldigen Sie, aber ich muß Ihre Nichte überwachen lassen. Im
Moment ist Inspektor Fabre bei ihr. In ein paar Stunden jedoch...“
    Madame Ailot schwieg verlegen. Einige
Sekunden lang färbte das Schweigen auf meinen Freund ab. Schließlich bat er um
Erlaubnis, das Telefon zu benutzen. Im Salon stand ein Apparat. Faroux rief in
der Tour Pointue an und gab Anweisungen. Dann
verabschiedete er sich. Die Routinearbeit konnte Fabre übernehmen: Verhör des
Butlers und eines Dienstmädchens. Ich hätte meine Klientin gerne noch gefragt,
ob ich sie weiterhin noch so nennen konnte. Aber Faroux schob mich hinaus. Er
wollte sich Bénechs Hotelzimmer ansehen. Und da ich
auch im Hôtel de l’Assomption wohnte...
     
    * * *
     
    Die Durchsuchung des Hotelzimmers
ergab nichts Neues. Dagegen erfuhren der Hotelbesitzer und das Zimmermädchen
Joséphine, daß Yves Bénech umgebracht worden war und ich genausowenig Dalor hieß wie René Coty. Mein Inkognito ließ

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