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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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sich nicht
länger halten.
    Florimond Faroux fuhr weg. Das Beste, was ich
im Moment tun konnte, war schlafen. Ich war zu kaputt, um irgendwas anderes zu
unternehmen. Vorher rief ich jedoch noch Hélène in der Agentur an. Ich
informierte sie über die vergangene Nacht und bat sie, mir gegen fünf — so
lange wollte ich pennen — einen Anzug und einen Regenmantel zu bringen, für
alle Fälle. Außerdem sollte sie unserem Freund Marc Covet ,
dem allesschlucken-den Journalisten, von der Sache erzählen und ihm auftragen,
nicht übermäßig reißerisch darüber zu schreiben. Dann schloß ich die
Fensterläden, zog die Vorhänge zu und legte mich ins Bett. Den Lärm von der
nahen Baustelle überhörte ich. Ich schlief sofort ein.
    Ich träumte, daß ich durch eine
unbekannte, enge Straße lief, links und rechts sehr hohe Häuser. Hélène
schwebte splitterfasernackt vom Himmel herab, wie ein Unglücksbote. Plötzlich
schlug ein Mann in Chauffeursuniform aufs Pflaster.
Hélène hielt einen rauchenden Colt in der Hand. Sie hatte den Mann abgeknallt.
Jetzt sah sie mich vorwurfsvoll an, als wollte sie sagen: ,Sie hätten nicht hier sein sollen!’ Ich war völlig verwirrt, konnte nichts für
Hélène tun, so sehr ich’s auch wünschte. Sie hatte den Mann vor meinen Augen
getötet. Ich hörte ein sarkastisches Lachen, dann eine Stimme: ,Immer Loge, erste Reihe! Nestor Burmas Sonderbegabung. Das
ist doch nicht normal! Du solltest dich auskurieren. Auskurieren!’ Das
Gelächter wurde zu einem Murmeln. (Wahrscheinlich das Rauschen der Blätter
draußen.) ,Das ist doch nicht normal’, murmelte es.,Nicht normal. Nicht normal. Loge, erste Reihe.’
     
    * * *
     
    Ich wachte um kurz nach vier auf. Zeit
für Kaffee und Kuchen für brave Kinder und alte Tanten. Ich hatte Hunger und Durst
und bestellte an der Rezeption eine stärkende Flüssigkeit. Joséphine brachte
mir eine Flasche Bier aufs Zimmer. Ohne ein Wort. Aber ihre rotgeränderten
Augen sprachen Bände. Ihr Blick ebenfalls. Auch das Zimmermädchen wollte mich
mit Vorwürfen überschütten.
    „Ich hab ihn nicht getötet“, sagte
ich.
    „Hab ich das gesagt?“ brummte
Joséphine.
    „So ungefähr. Wenn ich nicht
aufgetaucht wäre... Das meinen Sie doch, oder? Na ja, mir egal. Übrigens, Sie
hatten nicht die Exklusivrechte, wissen Sie das? Er schlief noch mit seiner
Chefin, der Nichte seiner Chefin und mit wem sonst noch. Außerdem war er ein
Dieb!“
    „Ich bin ein Idiot“, murmelte sie
achselzuckend. „Was mach ich mir Gedanken über die, mit denen ich geschlafen
habe, manchmal nur einmal? Aber ich kann nichts dagegen tun...“
    „Weil Sie ein nettes Mädchen sind.“
    „Er war auch kein schlechter Kerl.“
    „Nein. Einem Güterzug hätte er nichts
zuleide tun können.“ Sie ging. Kein schlechter Kerl, nein, aber dafür ein prima
Zuchthengst! In jedem Stall ‘ne Frau... Na ja, was soll’s! Ich trank mein Bier,
duschte und rasierte mich. Kurz darauf erschien Hélène mit den bestellten
Klamotten, eingewickelt in Wäschereipapier.
    „Na?“ rief sie und warf das Paket aufs
Bett. „Wieder Logenplatz, erste Reihe?“
    „Verdammt!“ sagte ich. „Genau das hat
einer in meinem Alptraum gesagt! Sie hatten darin übrigens ‘ne ziemlich üble
Rolle, mein Schatz. Nackt, wie ein Vampir über einem Kerl schwebend, den Sie
abgeknallt hatten.“
    „Wie scheußlich!“
    „Allerdings. Nicht besonders lustig zu
hören, daß man jemanden umgebracht hat.“
    „Ich meinte meinen Aufzug.“
    „Ach, so scheußlich war der gar
nicht“, beruhigte ich meine Sekretärin.
    Sie wechselte das Gesprächsthema:
    „Das ist also Ihr neues Zuhause?“
sagte sie und ließ ihren Blick im Zimmer umherwandern. „Haben Sie vor, lange
hier zu wohnen? Der Fall ist doch keiner mehr. Also haben Sie in diesem Viertel
nichts mehr zu suchen, oder irre ich mich da...? Sollten Sie eine Ihrer
genialen Ideen haben?“
    „Hab für eine Woche im voraus bezahlt“, sagte ich.
    Ich schnappte mir den Anzug, den
Hélène mitgebracht hatte, und verschwand im Badezimmer.
    „Eine Woche im voraus !“ rief ich von dort. „Wär kleinlich, das Geld
zurückzufordern, und dumm, es dem Matratzenvermieter zu schenken. Der ist schon
fett genug. Außerdem ist da noch der Schmuck, irgendwo. Ich soll ihn
wiederfinden... falls Madame Ailot weiterhin Vertrauen in meine Fähigkeiten
setzt. Der Mord in der Rue Berton war nur einer von den Spänen beim Hobeln...“
    „So was wie’n Geschenk des Himmels? Damit Sie

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