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Das stille Gold der alten Dame

Das stille Gold der alten Dame

Titel: Das stille Gold der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Malet
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daß ich ihn ganz
vergessen habe. Ja, zwei Schüsse. Ich nehme an, daß Suzanne ihren Célestin beim
ersten Mal verfehlt hat. Erst der zweite Schuß saß. Oder umgekehrt. Ich war ja
nicht dabei. Als ich dazu kam, war die Szene abgedreht.“
    „Geben Sie sich keine Mühe, Burma“,
seufzte mein Freund, der Oberflic . „Sie sind k.o.
Machen Sie’s nicht noch schlimmer. Die Sache ist so abgelaufen, wie Sie’s
sagen. Oder anders. Sie sind überzeugt davon, daß Suzanne den tödlichen Schuß
abgegeben hat. Aber Sie wollen die Kleine nicht durch Ihre Zeugenaussage
belasten und eine letzte Unsicherheit nicht ausräumen. Sehr ritterlich, aber
nutzlos. Wenn die Kugel in dem Türrahmen nun auf jemand abgeschossen wurde, der
ins Zimmer stürzte, hm? Jemand, den man nicht erwartet hatte, der sehr
ungelegen kam, den man am besten sofort beseitigte, hm? Überraschung trübt das
Auge und läßt die Hand zittern. Deshalb sitzen Sie hier neben mir auf der Bank.
Geben Sie’s schon zu: das Mädchen hat auf Sie geschossen, stimmt’s?“
    „Wenn ich’s vor Ihnen verheimlichen
wollte, hätte ich doch wohl die zweite Hülse verschwinden lassen, oder?“ fragte
ich zurück.
    „Und was ist mit der zweiten Kugel?
Die hätten Sie zwar auch verschwinden lassen können, aber was ist mit dem Loch
im Türrahmen? Nein, nein, Burma! Ich glaube, Sie wollten mir die zwei Schüsse
so erklären, wie Sie’s eben getan haben: beide für Bénech, in Ihrer Abwesenheit.
Aber Sie sind müde, erschöpft. Ich merke, daß meine Version stimmt. Wollen sie
das nicht endlich zugeben? Muß ich Ihnen die Würmer einzeln aus der Nase
ziehen? So verlieren wir nur Zeit.“
    „Schon gut“, gab ich klein bei. „Ja,
sie hat auf mich geschossen. Ich hab eben Erfolg bei kleinen Mädchen... Aber“,
fügte ich hinzu, „sie wußte doch gar nicht, was sie tat!“
    „Eventuell wußte sie genausowenig , daß sie den Chauffeur abgeknallt hatte. Aber
das überlassen wir besser den Psychiatern.“
    Faroux stand auf und klopfte die
Tabakkrümel von seiner Hose.
    „Sehen wir uns die Kleine doch mal
näher an“, schlug er vor. „Ich bin in Montreuil geboren... äh... Die da oben machen mich immer etwas unsicher...“
    „Versteh ich gut“, sagte ich und stand
ebenfalls auf. „Beim nächsten Mal seh ich zu, daß nur
Hilfsarbeiter von Citroen mitspielen. Auf denen können Sie dann nach
Herzenslust rumprügeln. Solche Leute haben keine Beziehungen nach oben.“
    „Das ist wirklich nicht nett von
Ihnen, Burma“, sagte Faroux beleidigt. „Haben Sie mich schon jemals prügeln
sehen?“
    „Nicht, seitdem Sie Chef der Kripo
sind. Wozu wär ‘ne Beförderung auch gut, wenn man die Arbeit eines Inspektors
tun müßte?“

Geschwätz
     
    Der Flic am
Steuer war die Diskretion in Person. Vor der Villa modern style in der
Rue du Ranelagh bremste er so kräftig, daß die
verschlafene Straße erzitterte. An mehreren Fenstern zeigten sich neugierige
Dienstmädchen mit Besen oder Staubsaugergriff in der Hand. Sie konnten sich
davon überzeugen, daß das Haus Ailot Besuch bekam: vier distinguierte Herren,
von denen einer so herzhaft gähnte, daß er sich beinahe den Kiefer ausrenkte.
    Stilecht, bereit zu einer eventuellen
Verbeugung, steckte Jérôme das schönste Beerdigungsgesicht zur Tür raus, das
man sich wünschen konnte. Der Butler führte uns zu seiner Herrschaft. Madame
Ailot sah nicht grade aus wie das blühende Leben. Verständlich. Sie empfing uns
nicht in dem Zimmer, das ich so langsam in- und auswendig kannte. Diesmal saßen
wir in einem großzügigen Salon im Erdgeschoß. Schweigend sah die Hausherrin
erst mich, dann den Kommissar und schließlich Inspektor Fabre an. Den dritten
Beamten in Zivil streifte ihr Blick nur, um dann wieder zu mir zurückzukehren.
Es lag so was wie Vorwurf in ihm. Seit unserem letzten Zusammensein waren einige
Stunden vergangen. Vielleicht hatte sie in der Zwischenzeit ihre Hoffnung nicht
aufgegeben...
    „Kommissar Faroux“, stellte sich mein
Freund vor. „Monsieur Burma hat mich bereits über alles Nötige unterrichtet.
Aber ich muß Ihnen noch ein paar Fragen stellen.“
    „Natürlich, Herr Kommissar“, stotterte
Madame Ailot. „Eine furchtbare Tragödie.“
    „Ja, Madame.“
    Tragödien — furchtbare, nicht
furchtbare, mehr oder weniger furchtbare — waren sein tägliches Brot.
    „Wo ist sie?“ fragte ich.
    „In ihrem Zimmer“, antwortete unsere
Gastgeberin. „Ich habe Dr. Valoir angerufen. Er hat
ihr etwas

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